"Ich stehe in der Kälte und warte auf ein Taxi", so lautet der in vorbildliches Hochdeutsch transferierte Refrain eines beliebten Austropop-Schlagers der Achtziger Jahre. Der Song stammt von der Gruppe DÖF, was für "Deutsch-Österreichisches Feingefühl" stand - und genau dieses, das Feingefühl nämlich, wird in diesen Tagen der sozialen Kälte ein rarer werdendes Gut.

Dass das Taxi oft "nicht kommt", wie es im schnoddrigen zweiten Teil des Refrains heißt, gehört schon lange zum kollektiven Sprachschatz der Österreicherinnen und Österreicher - und jetzt wissen wir auch, warum es nicht kommt: "Durch die zunehmenden Demos entstehen massive Behinderungen und Einschränkungen für die Unternehmer, was scheinbar von den Veranstaltern und von der Behörde oft nicht genügend bedacht wird", heißt es in einer Aussendung der Wiener Taxiunternehmer, die wegen der vielen Demonstrationen in letzter Zeit langsam Muffensausen bekommen. Wenn manchmal "mehr Polizisten als Demonstranten" unterwegs seien, dann müsse die Sinnhaftigkeit mancher Demo hinterfragt werden.

Recht haben sie, ein Hinterfragen ist natürlich immer zu begrüßen, nicht nur dann, wenn - so wie jetzt - bei vielen auch genügend Zeit dafür vorhanden ist. Denn wenn erst einmal - Feingefühl hin, Demokratie her - die Marschierer zu Abertausenden auf den Straßen unterwegs sind, dann ist natürlich Sense mit dem Nachdenken, zumindest aber mit dem Taxifahren.

Mit ihrem Begehren sind die Taxler leider ziemlich allein, denn die Krise spannt immer mehr zusammen, was bisher ideologisch niet- und nagelfest verortet schien. Wäre die Demo der Milchbauern nicht am Mittwoch gewesen, sondern erst am heutigen Donnerstag, man könnte sich gut ausmalen, zu welch schönen Szenen der Verbrüderung es kommen würde, wenn die letzten - beispielsweise ins Steirische - heimtuckernden Traktor-Sternfahrer am Freitag frühmorgens in Liesing auf die gerade mehr frisch als munter aufgebrochenen 1.-Mai-Sternmarschierer der SPÖ getroffen wären: spontane Umarmungen, gegenseitige Aufmunterungsversuche von Arbeitern und Bauern, ein Austausch von Parolen bei Schnaps und Brot.

Ja, das Zusammengehörigkeitsgefühl jener, die sich eher als Slumdogs bezeichnen würden, steigt im selben Ausmaß wie die Wut auf jene, die sich unter gar keinen Umständen öffentlich als Millionär brandmarken lassen wollen. Aber wo die Sonne der Moral langsam wieder aufgeht, kriegen auch Zwerge was davon ab. Schlagen Sie nach bei Grasser, Karl-Heinz. Der hat jahrelang versucht, die soziale Kälte wegzulächeln, mit durchwachsenen Erfolgen.

Jetzt schlägt sie wieder voll durch, die Kälte, viele stehen wieder drin herum und warten auf das Taxi wie auf die vielzitierte Chance in der Krise - und sei es auch nur die Chance, derer habhaft zu werden, die ihnen selbige nicht geben wollen. Das Taxi kommt aber immer öfter nicht, und das lässt diesen alten DÖF-Song wieder sehr aktuell werden. (Martin Putschögl, derStandard.at, 30.4.2009)