Wien - Die donnerstägige Premiere von Johann Nestroys Talisman im Wiener Josefstadt-Theater wurde von einem Unglücksfall noch nachträglich überschattet. Schauspieler Alexander Grill (70), der den Bierversilberer Spund hätte geben sollen, starb gestern Freitag an den Folgen eines am 16. Mai erlittenen Schlaganfalls.

Grills verschmitzte Komik, volkstümlich geerdet und doch voller Aufsässigkeit, wird dem Hause bitter fehlen. Sie allein aber hätte Michael Gampes Inszenierung schwerlich zu retten vermocht. Die Erinnerung an das Genie Nestroy rettet kein Bierversilberer, sondern höchstens ein Wortvergolder.

Gampes Blick auf den wegen seiner misslich roten Haarfarbe zum Gebrauch rücksichtsloser Ellbogentechnik verurteilten Titus Feuerfuchs (Florian Teichtmeister) ist unentschieden kritisch. Teichtmeister gibt in einem Holzlatten-bunker mit schneidend scharfen Falltüren (Ausstattung: Rolf Langenfass) weniger den Wortakrobaten als den Vorzugsschüler: Er stürzt der Reihe nach die vermögenden Witwen ins Liebesunglück. Er charmiert und antichambriert. Doch Nestroys funkelnde Suada bleibt ihm reichlich äußerlich.

Gelegentlich liegt die Stimmung eines Ibsen-Stücks wie Mehltau auf der Veranstaltung. Das hohe 19. Jahrhundert soll in Nestroys Qualitätsposse bereits wie ein Brühwürfel enthalten sein. In Wahrheit wirken die hübschen Beiträge der Schauspieler einfach nicht aufeinander abgestimmt. Die Frau von Cypressenburg (Marianne Nentwich) versprüht Harm und Charme einer kakanischen Generalswitwe; Salome Pockerl (Gerti Drassl) gibt die widersetzliche Gänsemagd sperrig und zäh. Sona MacDonald bezaubert indes als schwarzseidene Kammerfrau. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 23./24.05.2009)