Wien - In nur fünf Jahren ist alles anders: Mit zehn Jahren erbringen Mädchen und Buben in Mathematik fast die gleichen Ergebnissen, mit 15 rechnen die Buben plötzlich besser als die Mädchen. Im OECD-Schnitt erreichen sie elf Punkte mehr als Mädchen, in Österreich liegen sie sogar um 23 Punkte vorn.

Im Lesen verhält es sich umgekehrt: Die Mädchen sind den Buben darin schon in der Volksschule weit überlegen und bauen ihren Leistungsvorsprung weiter aus.

Warum ist das so? Weil Mädchen Mädchen sind und Buben Buben? Diese Antwort reichte der OECD nicht. Sie wollte den Leistungsunterschieden auf die Spur kommen und präsentierte dazu am Dienstag in einer Sonderauswertung der Pisa-Studie 2006 und anderer OECD-Studien Ergebnisse zum Thema Geschlechterunterschiede.

Nicht vermeintlich geschlechtsspezifische Fähigkeiten, sondern "geschlechtsbezogene Vorurteile beeinflussen die Bildungsergebnisse von Buben und Mädchen", sagen die Studienautoren. Das würden die Pisa-Ergebnisse im Bereich "Problemlösen" zeigen.

Anders als beim Lösen von Mathematikaufgaben, wo sie hinter den Buben rangieren, schneiden die Mädchen beim Lösen von Problemen so gut ab wie Buben. Die OECD schreibt diesen Unterschied dem Kontext zu, "in dem mathematische Probleme in der Schule präsentiert werden, aber auch den Zweifeln der Mädchen an ihren mathematischen Fähigkeiten". Würden also den Mädchen ihre Zweifel genommen, so könnten ihre Leistungen besser sein, denn Angst vor dem Fach und Leistung hängen klar negativ zusammen.

Die OECD sieht Eltern und Lehrer gefordert, um Geschlechterstereotype abzubauen. "Wir dürfen nicht akzeptieren, dass Vorurteile wie ,Lesen ist nichts für Buben' oder ,Mathe ist nichts für Mädchen' weiter bestehen", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. Dadurch gehe "wichtiges Bildungspotenzial verloren". (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe 27.05.2009)