Salzburg - Gefühlt hat das Ganze die Länge von Siegfried und Götterdämmerung (zusammen); tatsächlich kommt Demofoonte, Oper von Niccolo Jommelli, mit Kürzungen auf eine Normallänge von dreieinhalb Stunden. Warum das vokale Virtuosenstück mit zwei genialischen Musikmomenten dann langatmig wirkt, ist nicht eindimensional zu beantworten. Zunächst wäre da die krause Geschichte, von der man - gäbe es diesen Beweis nicht - gar nicht glauben würde, dass sie jemandem einfallen könnte:

König Demofoonte will Dircea den Göttern opfern - sein Sohn Timante aber ist, ohne dass der König es weiß, längst mit Dircea verheiratet und will verständlicher Weise die Opferung unterbinden. Gleichzeitig soll er mit Prinzessin Creusa vermählt werden. Als am möglichen Ende der König doch Güte zeigt, also alle am Leben lässt, stellt sich heraus, dass Dircea die Tochter des Königs ist, Timante also seine Schwester geehelicht und mit ihr ein Kind gezeugt hat. Doch siehe da - auch das stimmt nicht: Seine Gemahlin ist doch nicht seine Schwester, denn Timante ist nicht der Sohn des Königs. Dann endlich Happyend.

Zu der Story kommt auch ein "verlängernder" Regiegrund dazu: Die Inszenierung von Cesare Lievi ist nach aktuellen Genrestandards nicht als eine solche zu bezeichnen; die Akteure und Akteurinnen wirken wie Singpuppen, die einem alten Gemälde entstiegen sind und - nicht unbegabt - ihre ersten Erfahrungen mit der Schwerkraft machen. Wir begegnen also wieder einmal dem Phänomen einer quasi konzertanten Aufführung in Kostümen - in einem Einheitsbühnenbild (Margherita Palli), das sich mit einer antiken Häuserfassade spielt, indem sie diese mit Variationen verfünffacht (drei Wände, Decke und Boden sehen ähnlich aus).

Natürlich ist diese Oper eine haarsträubend schwere Koloratur-Olympiade, die Sänger an ihre Grenzen führt und darstellerische Flexibilität erschwert. Vokale Virtuosität samt ihrem Hang zu Wiederholungen als kurzweilige Quelle szenischer Dynamik einzusetzen wäre jedoch möglich gewesen.

Den Vokalisten ist jedenfalls kein Vorwurf zu machen. Wenngleich sie in der Höhe Klang verlieren (Maria Grazia Schiavo als Dircea; Antonio Giovannini als Matusio) oder intonatorisch zu kämpfen haben (Eleonora Buratto als Creusa), sind sie zweifellos auf sehr hohem Niveau unterwegs. Sie halten alle tapfer durch, ob als König (Dmitry Korchak), als falscher Sohn (Jose Maria Lo Monaco) oder als echter Königssohn (Valentina Caladonato).

Das jugendliche Cherubini-Orchestra ist unter Riccardo Mutis Anleitung ein Hort des eleganten Schönklangs und der galanten Phrasierung. Muti entlockt ihm viel Angenehmes, der Orchesterpart erlangt Eigenleben und kommuniziert doch auch mit den Bühnenvorgängen. Auf Dauer ermüdete aber auch das. Nächstes Jahr bringt Maestro Muti Mozarts Betulia liberata und (konzertant) Johann Adolph Hasses Oper Piramo e Tisbe nach Salzburg. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD/Printausgabe, 02.06.2009)