Max (Hermann J. Kogler) und Horst (Werner Landsgesell) kämpfen in Dachau ums Überleben und ihre Würde

© Bettina Frenzel

"Straßen von Berlin, ich muss euch verlassen. Werdet ihr mich vergessen, war ich jemals wirklich hier?", singt die alternde Drag-Queen Greta im schillernden Paillettenkleid, dramatisch platziert auf einem Klavier. Eine Lied wie eine düstere Vorahnung auf den Untergang des bunten Berlins der frühen 30er-Jahre. Autor Martin Sherman brachte mit seinem Stück "Bent - Der rosa Winkel" 1979 das erste Mal das lange totgeschwiegene Schicksal von Homosexuellen im Nationalsozialismus auf die Theaterbühne. In Wien zeigt das "Theater zum Fürchten" das Stück in einer gelungenen Inszenierung von Peter M. Preissler in der Scala.

Die Geschichte von Max (Hermann J. Kogler), einem Berliner Homosexuellen, der mit einem Tänzer (Harald Jokesch) zusammen lebt, beginnt im Berlin der frühen 30er-Jahre. Das Leben ist in der damaligen "Weltstadt für Homosexuelle" noch recht entspannt, auch prominente Nazis wie Ernst Röhm tummeln sich in der Berliner Szene. Das ändert sich schlagartig nach dem "Röhmputsch" und der "Nacht der langen Messer". Hintergrund der Morde waren die angeblichen Versuche der SA, mehr Macht innerhalb des NS-Staates zu erlangen. Röhm wurde auch seine Homosexualität zur Last gelegt, obwohl sie bereits längere Zeit bekannt war. Im Juni 1934 wurde er erschossen, danach begann die offene Verfolgung von Homosexuellen.

Sinnlosigkeit und Tristesse

Im Stück werden Max und sein Freund ebenfalls im Zuge der "Nacht der langen Messer" aus ihrem bürgerlichen Leben gerissen und verbringen Jahre im Untergrund in unterschiedlichen deutschen Städten. Sie leben teilweise in einem Zelt im Wald versteckt, wo sie schließlich von der Gestapo verhaftet und nach Dachau deportiert werden. Das Theaterstück teilt sich somit in zwei Teile: Das schillernde Leben in Berlin und die Zeit des Identitätsverlusts im Konzentrationslager.

Die Männer stehen in Strafanzügen auf der Bühne, vom Publikum trennt sie ein Drahtzaun. Die Wirklichkeit eines Konzentrationslagers kann auf einer Bühne freilich nicht rekonstruiert werden. Doch gelingt es Bruno Max, der die Bühne gestaltet hat, die Sinnlosigkeit und Tristesse atmosphärisch zu vermitteln. Die Schauspieler schleppen die Hälfte des Stücks schwere Backsteine von einer Seite der Bühne zur anderen. Es läuft ihnen der Schweiß herab, die körperliche Anstrengung ist ihnen anzusehen.

Der Rosa Winkel

Homosexuelle mussten im Konzentrationslager den 'rosa Winkel' tragen, was sie auf die niedrigste Stufe im Lager stellte. Sie wurden Strafkommandos zugewiesen oder in pseudomedizinischen Experimenten erniedrigt, gepeinigt, zwangskastriert und brutal ermordet. Die Anerkennung der Greueltaten blieb den verfolgten Homosexuellen nach Kriegsende lange verwehrt: Jahrzehntelang blieben sie aus dem offiziellen Gedenken an die NS-Opfer ausgeschlossen.

Das scheint Max bei seiner Ankunft in Dachau bewusst zu sein. Um statt der Kennzeichnung durch den rosa Winkel einen Judenstern zu erhalten, prügelt er seinen Freund zu Tode und koitiert unter den Augen der SS-Schergen mit einer toten Dreizehnjährigen. Der Überlebenswille steht vor der eigenen Identität.

Das ändert sich, als Max den Mithäftling Horst (Werner Landsgesell) kennen lernt. Horst erträgt die Demütigungen des Rosa Winkels im Lager unbeirrt, er trägt den rosa Winkel mit Stolz und Trotz. Im Angesicht des Todes versuchen sie so etwas wie eine Beziehung zu führen, doch den beiden ist es untersagt, sich zu berühren. Sie dürfen sich beim völlig unsinnigen Steineschleppen nicht ansehen, nur in ihren Gesprächen ist Platz für Menschlichkeit und Zärtlichkeit. Sie lieben einander durch Blicke, Gesten und in ihrer Phantasie. "Wir waren wieder Menschen. Wir haben uns geliebt. Sie können uns nicht umbringen", sagt Max in einer Szene.

Mick Jagger als Drag-Queen Greta

Die Wiener Erstaufführung zeigte das Schauspielhaus 1980 unter der Regie von Hans Gratzer. In Großbritannien wurde der Stoff 1997 von Sean Mathias verfilmt. Clive Owen brilliert als Max, Mick Jagger gibt die alternde Drag-Queen Greta, die im bürgerlichen Leben Frau und Kind hat und so die NS-Zeit überleben kann. In Nebenrollen sind Jude Law und Ian McKellen zu sehen, die Musik stammt von Philip Glass. (Julia Schilly, derStandard.at, 3. Juni 2009)