Nudeldrucken auf hohem Niveau: Christian Petz erklärt den Schülern aus Wien die Basics für gelungene Bandnudeln

Foto Citronenrot

Drosendorf - Der Spitzenkonditor Helmut Schörgi zeigt's am unscheinbaren Teigfladen vor: "Mit dem Daumen eine Höhle machen, Handkante reindrücken - drüberschlagen, Handkante - drüberschlagen ... den letzte Zipfel in die Höhle - und jetzt habt's die Handsemmel." Die Jugendlichen rundum sind erst einmal bummbaff - "Waaas?", spricht eine aus, was sich alle denken. Eine Stunde später zeigen sich die Kids bereits gegenseitig, wie's geht.

Im historischen Bürgerspital von Drosendorf im Waldviertel ist gerade Hochbetrieb. Ein Platzregen hat die zwölf- bis 13-jährigen "Nudeldrucker" in den Kinosaal verscheucht. "Die Bahnen antrocknen lassen", erinnert der ehemalige Coburg-Chefkoch Christian Petz die Schüler - aber das hat weniger mit dem feuchten Wetter als mit der Konsistenz des Teiges zu tun. Neben den Bandnudel-Produzenten wuzeln andere penibel den Teig über geriffelte Brettchen. Was sie da machen? "Spezialnudeln." Auch Gnocchini genannt.

Insgesamt 42 Schülerinnen und Schüler vom Gymnasium Anton-Krieger-Gasse haben sich für das Projekt "Alles Powidl" drei Tage lang im nördlichen Waldviertel eingefunden. Hier "gehen wir der Frage nach, ob mit unserer Ernährung noch alles in Ordnung ist", erläutern die Initiatorinnen, Wein- und Gourmetveranstalterin Sylvia Petz und Wienern-Gourmetjournalistin Elisabeth Ruckser. Aber ohne Zeigefinger, ohne "du musst" oder "du darfst nicht": "Wir wollen mit den Kindern einfach Spaß an unverfälschten Lebensmitteln und am Selberkochen haben."

Dass es generell dringend nötig wäre, in der Schule auch auf die Geschmacksausbildung zu achten, liegt auf der Hand: Laut dem jüngsten Ernährungsbericht des Gesundheitsministeriums waren 2008 bereits 19 Prozent der sechs- bis 15-jährigen Schulkinder übergewichtig - acht Prozent sind gar adipös; neigen zur Fettleibigkeit. Das Grundübel: Die Jugendlichen essen zu viel Zucker, zu wenig Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.

Im Drosendorfer Bürgerspital geht die Erstversorgung für bewusstes Genießen indes weiter. Unter der Anleitung des Raabser Genusswirtes Heinrich Strohmer werden hochkonzentriert mit je zwei Kaffeelöffeln Grießnockerln geformt - die dann am Abend in der Rindsuppe schwimmen. Bei der Foodstylistin Sabine Surtmann werden Mohnflesserln für das nächste Frühstück geflochten - und bei der Slowfood-Köchin Andrea Karrer werden Obstkuchen für die Jause zubereitet.

Vor dem Essen gibt es aber noch ein bisschen Ästhetikunterricht: Im inzwischen wieder trockenen Hof wurde ein Tisch gedeckt, "wie er ungefähr aussehen sollt, daheim", leitet der Vier-Hauben-Koch Christian Petz ein. "Aber ohne Fliegen", wirft ein Mädchen ein. Nach den weiteren Erläuterungen - "Besteck ein Daumen breit über der Tischkante, das Glas über dem Messer, der Brotteller links von der Gabel" - stürmen die Jungköche schon zum Abendessen.

Die Gaudi beim Kochen ist die eine - die sinnliche Erfahrung von qualitativ hochwertigen Produkten ist die andere Seite. "Der Geschmackssinn der Kinder gewöhnt sich an Zusatzstoffe, Zucker, Geschmacksverstärker und künstliche Aromen", erläutert Sylvia Petz. "Das, was man ,Erdbeeren' nennt, schmeckt dann nicht mehr nach frischen roten Sommerfrüchten - sondern wird mit künstlichen Aromastoffen aus Joghurt, Fruchtgummi und Co assoziiert."

Daher wird an den Projekttagen vormittags auch auf dem Feld geerntet oder die Dyk-Mühle in Raabs besucht, um zu erleben, wo qualitativ hochwertige Produkte herkommen.

"Eigentlich müsste es schon in der Volksschule zwei, drei Stunden Ernährungslehre pro Woche geben", überlegt Christian Petz in einer Pause. "Oder zwei, drei solche Projektwochen pro Jahr. Bis es in den Köpfen Klick macht."

Denn nur der Appell an die Eltern, eine gesunde Jause einzupacken, sei sinnlos. Und drum heißt es in Drosendorf auch erst am letzten Tag, nach all den Erfahrungen: "Wir basteln eine Jause." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Printausgabe, 03.07.2009)