Shai Reshef hat die erste Online-Universität gegründet, die freie Bildung für alle anbieten will. Einzig Prüfungsgelder und Inskriptionsgebühren - je nach Herkunft gestaffelt - müssen Studierende entrichten.

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Im Herbst nimmt die erste beinahe kostenlose Online-Universität, die "University of the People" ihren Betrieb auf. Ein Wirtschafts- und ein Informatikstudium soll Menschen, die keinen Zugang zu Bildung haben oder sich kein reguläres Studium leisten können, einen Abschluss ermöglich. Gegründet wurde die Universität vom israelischen Geschäftsmann Shai Reshef. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt er die Abläufe der Universität, seine Motivation für die Gründung und warum er gerade ein Wirtschafts- und Informatikstudium für eine internationale Online-Universität für geeignet hält. Die Fragen stellte Sebastian Pumberger.

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derStandard.at: Warum haben Sie die University of the People gegründet?

Reshef: Die University of the People wurde gegründet, weil es hunderte Millionen Menschen auf der Welt gibt, die einen Schulabschluss haben, aber nicht an einer Universität studieren können. Dies kann finanzielle Gründe haben oder es gibt einfach nicht genügend Universitäten in den Ländern wo sie wohnen. Manchmal sind es auch persönliche Gründe. Unter anderen Umständen hätten diese Menschen studiert. Heute können wir über das Internet eine Universität anbieten, die sie bereichert und nicht die Universität, weil wir den Unterricht kostenfrei anbieten. Auch wenn sie über keine Mittel verfügen, können sie studieren und ihren Lebensstandard erhöhen und hoffentlich einen besseren Job finden.

derStandard.at: Wer darf an der University of the People studieren?

Reshef: Jeder der einen höheren Schulabschluss hat und über gute Englisch-Kenntnisse verfügt, kann bei uns studieren, vorausgesetzt er hat Zugang zu einem Computer. Nach der Aufnahme müssen Studenten zunächst zwei Kurse belegen, einen in Informatik und einen in Englisch. Diese Kurse unterrichten Grundlagen und schätzen gleichzeitig das Niveau der StudentInnen ein. Erst nach positiver Absolvierung wird man als regulärer Student aufgenommen. Wir öffnen die Türen für jeden, aber wir versichern uns, dass sie auch bei uns studieren können.

derStandard.at: Wie wählen sie ihre StudentInnen aus?

Reshef: Das Ziel ist, dass jede/r die/der unseren Standards genügt, aufgenommen wird. Die Studenten, die wir heute nicht aufnehmen können, hoffen wir im nächsten Semester oder übernächsten Semester aufnehmen zu können. Alle zweieinhalb Monate beginnt ein neues Semester. Wir werden solange weiterwachsen, solange es die Nachfrage gibt und wir Qualität garantieren können.

derStandard.at: Wie kann man sich den Unterricht an der virtuellen Universität vorstellen?

Reshef: Studenten werden, nachdem sie einen Kurs gewählt haben, von uns in eine Gruppe von 20 Studenten aus der ganzen Welt eingeteilt. Mit ihnen teilen sie den virtuellen Unterrichtsraum. Jede Woche finden sie dort die aktuelle Vorlesung, die weiterführenden Übungen, die dazugehörige Literatur und die Diskussionsfragen. Diese Fragen diskutieren die Studenten untereinander im Laufe der Woche. Die passiert nicht live, jeder kann einen Diskussionsbeitrag online stellen oder die Beiträge der anderen Studenten ansehen wann er oder sie Zeit hat. Wenn es jedoch Themen gibt, die die Studenten nicht verstehen oder wenn ein Student eine Diskussion anregen will, so kann er in das Forum der Lehrveranstaltung gehen. Dort können sie sich mit einem ehrenamtlichen Professor austauschen oder eine Sprechstunde ausmachen, wenn sie etwas vertiefen wollen.

derStandard.at: Sind alles Lehrende ehrenamtliche Kräfte?

Reshef: Wir sind beeindruckt von der Anzahl der freiwilligen Lehrenden, die sich bereit erlärt haben. Bisher haben sich über 1000 gemeldet. Im Moment kann ich es noch nicht einschätzen, wie es sich entwickeln wird. Wenn wir aber Lehrpersonal benötigen, werden wir Professoren anstellen. Studenten müssen das bekommen, was sie brauchen. Im Moment jedenfalls haben wir genug Freiwillige.

derStandard.at: Sie bieten an der "University of the People" ein Wirtschafts- und ein Informatikstudium an. Warum gerade diese beiden Studienrichtungen?

Reshef: Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen sind Menschen aus der dritten Welt unsere Hauptzielgruppe. Wir glauben, dass diese zwei Abschlüsse am besten geeignet sind um danach einen Job zu finden. Es ist für uns sehr wichtig, dass die Studenten etwas praktisch Anwendbares angeboten bekommen, vor allem, wenn sie arm sind und sich ein Studium der Freude des Studiums wegen nicht leisten können. Der zweite Grund liegt darin, dass diese Studienrichtungen international sind. Wenn wir Studenten aus China, Österreich oder Zimbabwe wollen und alle in einer Gruppe unterrichten wollen, muss das angebotene Programm international und auf der ganzen Welt relevant sein.

derStandard.at: Ist die "University of the People" bereits akkreditiert und sind die Abschlüsse anerkannt?

Reshef: Als amerikanische Universität können wir zu Beginn kein Studium mit Akkreditierung anbieten. In den USA kann man erst um Akkreditierung ansuchen wenn die Studien bereits angelaufen sind. So können wir rein technisch noch gar nicht akkreditiert sein. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg dorthin sind. Dies spiegelt sich auch in unserem Beirat und in der Unterstützung durch die Vereinten Nationen wieder.

derStandard.at: Finden die Prüfungen auch im Internet statt?

Reshef: Am Ende eines Kurses müssen die Studenten eine Prüfung machen. Die Gesamtnote setzt sich aus der Prüfung, der Mitarbeit in der Gruppe und manuellen Beurteilung von Lehrenden zusammen. Die Prüfung spielt hier natürlich eine wichtige Rolle. Wir sind noch nicht sicher ob diese im Internet oder an einem physischen Ort stattfinden wird. Ursprünglich wollten wie sie offline durchführen und die Studenten an einen Prüfungsort bitten. Es gibt nur zurzeit keine Institution oder kein Unternehmen, das solche Prüfungen weltweit durchführen kann. Es ist aus unserer Sicht nicht fair, Studenten nur deswegen nicht aufzunehmen, weil in seinem oder ihrem Land keine diese Möglichkeiten nicht bestehen. Alles was wir tun muss gleich für jeden sein. Vielleicht finden wir noch eine Lösung oder wir werden unsere Prüfungen wie die meisten anderen Internet-Universitäten online durchführen.

derStandard.at: Wie finanziert sich die Universität?

Reshef: Studenten müssen zunächst bei der Inskription bezahlen, das sind je nach Land 15 bis 50 Dollar. Jedesmal wenn sie eine Prüfung machen, müssen sie eine Gebühr von 10 bis 100 Dollar entrichten, ebenfalls nach Herkunftsland gestaffelt. Mit diesen Einnahmen trägt sich die Universität von selbst, wenn wir mehr als 15000 Studenten haben. Bis dahin brauchen wir sechs Millionen Dollar. Ich selbst habe eine Million investiert, fünf Millionen müssen wir durch Spenden einnehmen.

derStandard.at: Wie viele Bewerber gibt es zurzeit?

Reshef: Wir haben zurzeit 1600 Bewerber. Diese kommen aus über 130 Ländern, die meisten Bewerber kommen zurzeit aus Indonesien.

(derStandard.at, 13. Juli 2009)