Survival of the fittest: Ninja Reichert, Andrea Wenzl und Margot Binder in "Frühlings Erwachen".

Foto: Schauspielhaus/Manninger

Schülerselbstmorde, Jugendliche, die für sich keinen Sinn und keinen Platz in der Gesellschaft finden können, und die verwirrende, anstrengende Zeit des Erwachsenwerdens - das alles sind zeitlose Themen, die ohne Zweifel auch im Theater ihre Berechtigung nie verloren haben. Trotzdem ist Frank Wedekinds Frühlings Erwachen in seiner Urform nach 100 Jahren auch voll von völlig überholten Details. Keine halbwegs diesseitige 14-Jährige hört sich heutzutage auch nur fünf Sekunden lang Geschichten vom Storch an, kein 15-Jähriger fürchtet mehr die Korrektionsanstalt.

Wer also - wie Regisseur Robert Schmidt am Grazer Schauspielhaus - sich heute über die Kindertragödie hermacht, muss einiges an vergangener Zeit erst glaubhaft machen. Da reicht es nicht, wenn ein paar Buben Oasis-Nummern grölen und Mädchen Hochprozentiges schlürfen.

Obwohl zeitgerecht am 21. März gestartet, erweckt Schmidts Inszenierung nur in kurzen Momenten das Publikum, etwa wenn Alexander Weise als Moritz Stiefel von der ausgebrochenen Altersgenossin Ilse, gespielt von einer kraftvollen Julia Kreusch, das letzte Angebot seines Lebens erhält. Doch über quälend lange Sequenzen behauptet Johannes Lang als Melchior Gabor, ein schlauer Jugendlicher zu sein, oder hüpft Andrea Wenzl erfrischend, aber ohne Tiefe als aufblühende Wendla umher.

Dabei weckt Jens Fiedlers Turnsaal - der Ort, an dem sich Kids erlaubterweise mit ihrem Körper auseinander setzen dürfen -, in dem von der Wohnung bis zum Friedhof alle Szenen ihren Lauf nehmen, authentische Gefühle an den Geruch der Pubertät. "Smells Like Teen Spirit" bleibt hier aber ein unerfüllter Wunsch. (cms/DER STANDARD, Printausgabe, 25.3.2003)