In Wiens Kindergärten wird in diesen Tagen eifrig herumgerechnet: Längst nicht alle Betreuungseinrichtungen schaffen es, ihr Angebot für die Eltern kostenfrei zu machen.

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STANDARD:Für wie viele Eltern wird der Kindergarten ab 1. September tatsächlich beitragsfrei?

Oxonitsch:Wir können davon ausgehen, dass wir unser Ziel, die 45.000 beitragsfreien Plätze, erreichen. Wir wissen, dass die großen privaten Träger und sehr viele kleine durch das neue Fördermodell beitragsfreie Plätze anbieten werden. Es wird bei fast allen eine Entlastung von 226 Euro geben.

STANDARD: Aber der Gratiskindergarten für alle, den Bürgermeister Häupl im Frühjahr angekündigt hat, war nicht umsetzbar?

Oxonitsch:Wir haben in Wien ein sehr differenziertes Angebot in der Kinderbetreuung. Alle über einen Kamm zu scheren und jene mit den höchsten Kosten als Messlatte für ein Fördermodell zu nehmen, ist nicht möglich - das war von Anfang an klar. Es gibt ja auch kostenlosen Schulbesuch und private Schulen, die etwas verlangen.

STANDARD: Was wird die Stadt für den Gratiskindergarten ausgeben?

Oxonitsch:Wir werden rund 100 Millionen Euro investieren. Der Ausbau geht weiter, es gibt das neue Fördermodell, und einkommensschwache Familien werden bei den Essensbeiträgen entlastet.

STANDARD: Ab dem Schuljahr 2010/11 ist das letzte Kindergartenjahr verpflichtend. Was tut die Stadt, um das zu ermöglichen?

Oxonitsch: Im Herbst werden wir im Landtag die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen. Wir schaffen heuer 2200 Plätze zusätzlich, für nächstes Jahr haben wir dieselbe Zahl vor. Wichtig ist auch der Aufbau der Kinderdatenbank.

STANDARD: Wird es nächstes Jahr genügend Plätze geben?

Oxonitsch:Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir rechnen mit 800 bis 1000 Fünfjährigen zusätzlich, möglicherweise weniger, weil viele vorzeitig eingeschult werden. Mit Beginn nächsten Jahres werden wir mit jenen, die nicht im Betreuungssystem sind, abklären, wo es Plätze gibt.

STANDARD:Sind Sie zufrieden mit der gesetzlichen Konstruktion?

Oxonitsch:Es war ein Kompromiss. Grundsätzlich wäre das verpflichtende Jahr besser im Schulsystem aufgehoben, weil es ein gewohnteres System für die Eltern ist, weil es einen besseren Übergang ins Schulsystem hätte geben können. Es ist auch das verpflichtende Kindergartenjahr ein wichtiger Schritt, aber das Vorschuljahr wäre uns lieber gewesen.

STANDARD: In Wien fehlen Pädagoginnen. Was tut die Stadt dagegen?

Oxonitsch:Wir haben als einziges Bundesland schon vor einem Jahr mit zusätzlichen Ausbildungsmaßnahmen begonnen und bringen heuer die ersten 80 bis 90 Mitarbeiterinnen ins System. Wir übererfüllen außerdem die gesetzlichen Auflagen, weil wir als Stadt einen höheren Personalschlüssel haben als vorgeschrieben. Dass es derzeit eng ist, ist kein Geheimnis. Wer schuld ist, ist klar: Hätten wir einen kontinuierlichen Ausbau der Kinderbetreuung gehabt, hätten wir uns wesentlich leichter getan. Da 2000 unter Schwarz-Blau die Kindergartenmilliarde eingestellt wurde, gab es einen Stillstand, der erst unter Rot-Schwarz beendet wurde. Diese sechs Jahre kontinuierlicher Ausbau fehlen.

STANDARD:Können Sie den Bedarf an Pädagoginnen beziffern?

Oxonitsch:Wir haben für heuer zusätzlich 323 Pädagoginnen aufgenommen. Ich gehe davon aus, dass wir den Engpass in zwei bis drei Jahren überwunden haben.

STANDARD: Sind Sie dafür, Kindergärtnerinnen künftig an Hochschulen auszubilden?

Oxonitsch: Ich bin sehr froh, dass Ministerin Schmied diese Diskussion führt. Das würde mehr Flexibilität bedeuten.

STANDARD: Dann müsste man auch mehr zahlen.

Oxonitsch:Das ist in einem Gesamtkontext zu sehen. Viele Lehrer können sich vorstellen, im Kindergarten zu arbeiten, und umgekehrt. Diesbezüglich ist das derzeitige System nicht ausgereift.

STANDARD: Derzeit sind die ersten Lehrer der Kinder die, die am schlechtesten bezahlt werden.

Oxonitsch:Gespräche über die Gehaltskurve laufen. Wir liegen bei den Einstiegsgehältern österreichweit im Mittelfeld, bei den Ausstiegsgehältern im Spitzenfeld. Die Gehaltskurve zu verändern ist notwendig. Bei vielen Pädagogen orte ich aber, dass das Gehalt nicht im Mittelpunkt steht, sondern die Qualität: Wie stelle ich sicher, dass ich nicht ausgebrannt bin? Entlastungsmaßnahmen wie Ausbildungslehrgänge haben Priorität. (Andrea Heigl/DER STANDARD-Printausgabe, 29./30. August 2009)