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Philipp Hauß (M.) serviert zwei charmanten Flugbegleiterinnen (Johann Adam Oest (li.) und Falk Rockstroh) Thaisuppe mit ungewöhnlicher Einlage.

 

Foto: AP/Trierenberg

Wien - In Roland Schimmelpfennigs Tragikomödie Der goldene Drache ist nichts das, was es zunächst vorgibt zu sein. Erst allmählich kann der Zuseher die "Realität" hinter den Masken erkennen. Menschen treten dann parabelgleich hinter Tierbezeichnungen hervor, voneinander getrennte Menschen entpuppen sich als Geschwister. Aber dass in dieser Welt etwas faul sein könnte, deuten schon von Anfang an die diametral verkehrten Besetzungsverhältnisse an: Junge Damen sind in Wahrheit ältere Herren, zwei Sechzigjährige geben ein junges Paar in der Dachwohnung usw.

Und für all diese doppelten und dreifachen Täuschungen benötigt Roland Schimmelpfennig nur die leere weiße Bühne des Akademietheaters. Hier wechseln fünf Schauspielerinnen und Schauspieler von ihrer Küchengehilfen-kluft schnell in zwei, drei andere Kleidungsstücke, um damit das Personal des im Stück zentralen Asia-Restaurants samt seinen nachbarschaftlichen Milieus zu umreißen. Das ist Gelände nur für Schauspieler, die sich auf feine Gesten verstehen, die mit Andeutungen hundertprozentige Figuren aus der Taufe heben, einzig mit Mundwinkel und Hüftknick.

Sie heißen Falk Rockstroh, Johann Adam Oest, Christiane von Poelnitz, Barbara Petritsch und Philipp Hauß. Letzterer tanzt einmal den vergeblichsten Tanz einer von einer fiesen Ameise erpressten Grille: Ein Stoff, wie er nur fürs Theater gemacht sein kann.

Der Autor Schimmelpfennig hat dem Regisseur Schimmelpfennig also einen Gefallen getan und ein Stück geschrieben, das erst auf der Bühne seine Geheimnisse preisgibt (und auch einige für sich behält). Schimmelpfennig ist ein zu fachmännischer Schreiber (siehe zuletzt Besuch bei dem Vater am Theater in der Josefstadt), als dass er diese Freiheiten dem Text nicht einzuflechten wüsste. Fast zu perfekt, sodass die vorgesehenen Freiheiten beinahe nicht mehr als solche wahrzunehmen sind. In Kombination mit dem kühnen Ensemble (wer will schon eine unbekannte Ameise in einem neuen Stück sein?) ergibt das aber einen rührenden Uraufführungsabend, den dieses Burg-Eröffnungswochenende gut brauchen konnte.

Kurpfuscher in der Küche

Was als heitere Milieustudie beginnt, in der ein kleiner asiatischer Laufbursche (von Poelnitz) mit schrecklichen Zahnschmerzen Opfer seiner kurpfuscherischen Küchenkollegen wird, entpuppt sich erst nach der Hälfte als die Vorderansicht einer tragischen Migrationsgeschichte. Kleine lose Episoden, erlebt von den Menschen aus dem "Thai-China-Vietnam-Schnellrestaurant", werden nach und nach zu einem Handlungsstrang zusammengeflochten.

Mit einem Griff ins Surreale eröffnet Schimmelpfennig eine völlig andere Sicht auf das äußerst witzige Stück und stellt - Paradigmenwechsel! - die bis dahin angestrengte Wahrnehmung in Frage. So eine Tragikomödie macht nicht nur hungrig auf Wok-Küche, sondern auf noch mehr Theater. (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.9.2009)