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Die Durchleuchtung von genetischem Material passiert im Hochleistungssport nach wie vor, und zwar nur den Sportlerinnen.

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In der Welt des Spitzensports kommt das Prinzip der Geschlechterdisparität gnadenlos zur Anwendung. Unter der Annahme, dass man nur eines sein kann, Männlein oder Weiblein, wird hier auf Basis eines zu optimierenden Ausnutzens von biologischen Vorteilen gearbeitet. Nur einer davon ist Mann sein. Einer. Aber: Uneindeutigkeit will man sich gerade in diesem Punkt auf keinen Fall leisten, schließlich gilt Männlichkeit als Turbo-Vorteil, und der resultiert in unlauterem Wettbewerb, und wenn Sport etwas sein soll, dann fair.

Dass es sehr wohl SportlerInnen gibt, die diese hochgehaltene Fairness nicht zu spüren bekommen, dass das ganze Hochleistungsmilieu eines ist, in dem getrickst und übervorteilt wird, was das finanzielle und technische Backup her gibt - das wird relativiert. Im Gegensatz dazu wagt man sich nur zaghaft daran, die Eindeutigkeit der Regeln, was das Geschlecht anbelangt, an aktuellen wissenschaftlichen Ergebnishorizonten auszurichten, die die Geschlechterdualität in Frage stellen. Geschlechter-Varianzen abseits dieser Dualität existieren - und sie bedingen keine sportliche Dysfunktionalität. Ist die Leistungsfähigkeit gegeben, läge doch im Spitzensport kein Grund vor, Menschen auszuschließen, weil sie genetisch nicht mit einem festgeschriebenen Bauplan ident sind. Ist der nicht sowieso variantenreich? Muss er es denn nicht sein?

Aber Fakt ist: Die Durchleuchtung von genetischem Material passiert im Hochleistungssport, um etwaige genetische Dispositionen auszusondern. Also Menschen. Auch wenn der Internationale Leichtathletikverband IAAF noch vor dem Olympischen Komitee den Stopp der Praxis angeordnet hatte, 1992 nämlich, werden die Tests bei Verdacht auf geschlechtliche Uneindeutigkeit - und nur dann - nach wie vor durchgeführt. Zwischen 1968 und 1996 waren diese Sex Verification Tests obligatorisch für jede, die bei Olympischen Spielen teilnehmen wollte.

Sie werden nur den weiblich zugeordenten Sportlern abverlangt. Von medizinischer Seite als nicht valide eingestuft, von FrauenrechtlerInnen als diskriminierend und herabwürdigend, sind sie doch in Verwendung, wenn auch mit flankierenden Maßnahmen. Neben dem Gen-Test sind mittlerweile auch GynäkologInnen, EndokrinologInnen, PsychologInnen und InternistInnen am Geschlechtsfahnden - der Fairness den Sport-Kolleginnen halber, die bei näherem Hinsehen aber Auslegungssache ist:

Wie das Beispiel der Inderin Santhi Soundarajan zeigt, die 2007 einen Suizidversuch unternahm, nachdem sie beim Test "durchgefallen" war. Oder der Fall Caster Semenya, im August 2009: Als Mädchen - vor gerade Mal 18 Jahren in Südafrika - geboren, als Mädchen aufgewachsen, als Mädchen von ihrer Umwelt gesehen. Eine junge Frau, die in der Welt, durch die ihre berufliche Laufbahn führt, keine sein soll. Und das aus der internationalen Presse erfährt. Semenya selbst dachte, dass es sich bei dem angeforderten Test um eine Dopingkontrolle, und nicht um eine Geschlechtsbestimmung handle. Fair, oder? Dass die Medienberichterstattung über Semenya auch Analysen von sich zur Ferndiagnose bemüßigt fühlenden "Experten" für Geschlechtsmerkmalbegutachtung unter Sportdressen und Hochglanz-Fotostrecken mit Weltmeisterin Semenya in Damengarderobe mit sich bringt - sportlich, oder? Das konnten die Verantwortlichen beim Internationalen Leichtathtletikverband nicht absehen, als sie inmitten einer weltweit beachteten Sportveranstaltung wie den Leichtathletik Weltmeisterschaften den längst angeordneten Test verlautbarten?

Wenn Semenyas Fall, der zu Recht Proteststürme in Südafrika evoziert hat, letztlich nicht als sinnloses Vorführen eines Teenagers aus einem kleinen Dorf in Erinnerung bleiben soll, müsste die IAAF nun ein Exempel statuieren, indem er eine neue bindende Regel installiert: Geschlechtstests auf Verdacht ein für alle Mal abschaffen. (bto/dieStandard.at, 15.9.2009)