"Es gibt auch solche, die objektiv für diesen Beruf nicht geeignet sind. Das System macht es schwierig, diese faulen Eier wegzubringen", so Mayer zum aktuellen Lehrerbild.

Foto: derStandard.at/ Ines Holzmüller

"Es gibt heute Beispiele, wo Lehrer vom Bund bezahlt werden, die angeblich an Schule unterrichten, die es gar nicht mehr gibt.", so Mayer zur Finanzierung der Lehrer durch den Bund.

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Für den sozialdemokratischen Bildungssprecher Elmar Mayer ist die Verwaltungsreform im Schulbereich keine Frage von Macht und Einfluss, sonder eine des "lieben Geldes". In zwei Projektteams erarbeitet Mayer derzeit SPÖ-Vorschläge zum Lehrerdienstrecht und der Lehrerausbildung, abseits des SPÖ-geführten Bildungsministerium. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt er, warum dadurch dennoch keine Diskrepanz zwischen Partei und Ministerium entsteht. Das Gespräch führte Sebastian Pumberger.

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derStandard.at: Ein großer Anteil der Lehrer geht in den nächsten Jahren in Pension. Die OECD hat in einer Studie festgestellt, dass vor allem der Junglehreranteil in Österreich sehr niedrig ist. Was kann man tun, um dieses Defizit zu bewältigen?

Mayer: Wenn man das Schulsystem verbessert und die Lehrerinnenausbildung attraktiver macht, dann kann man auch junge Menschen dafür begeistern, diesen Beruf zu ergreifen. Diese Strukturen muss man ändern und dann gezielt auch in die Werbung gehen. Ohne Werbung bei den Menschen wird es nicht gehen.

derStandard.at: Sehen Sie auch einen Zusammenhang zwischen den Absolventenzahlen an pädagogischen Hochschulen und der tatsächlichen geringeren Anzahl an Junglehrern?

Mayer: Mit der Ausbildung, die ein Lehrer hat, kann man wesentlich mehr verdienen als im Schuldienst. Es muss gelingen, dass junge Kolleginnen und Kollegen, die mit der Schullaufbahn beginnen, mehr Anfangslohn erhalten und die Gehaltskurve anschließend abflacht.

derStandard.at: Welche Rolle spielt das derzeitige Lehrerbild in der Diskussion?

Mayer: Lehrer werden natürlich schlecht gemacht, weil jeder im Laufe seiner Schulkarriere mal ejemanden gehabt hat, der ihm nicht gepasst hat. Es gibt auch solche, die objektiv für diesen Beruf nicht geeignet sind. Das System macht es schwierig, diese faulen Eier wegzubringen. In Summe ist der weitaus überwiegende Teil der Lehrer engagiert und motiviert.

derStandard.at: Kann man die Ursache für das schlechte Lehrer-Image auch bei den Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaft und Politik finden?

Mayer: Ich glaube, dass auch einzelne Vertreter der Gewerkschaft nicht optimal agiert haben. Ich habe mich bei bestimmte Äußerungen von Walter Riegler (Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, Anm.) beispielsweise nicht vertreten gefühlt - nicht nur als Politiker sondern auch als Lehrer. Und ich weiß, dass es vielen Lehrern ähnlich geht. Das Problem war, dass Lehrer unschuldigerweise in eine Zwickmühle zwischen Politik und Gewerkschaft gekommen sind und dieses Bild geprägt wird. Das ist aber nicht der klassische Lehrer, sondern ein Lehrervertreter. Außerdem kenne ich kaum einen Lehrer, der nicht schon seit Jahren eine gemeinsame Schule der 10-14-jährigen fordert. Warum müssen wir bereits mit neun Jahren sortieren in gute, schlechte und weniger gute? Die Politik reagiert nicht auf die Wünsche der Lehrer. Wenn die Ergebnisse bei der Pisa-Studie nicht entsprechen, dann bekommen die Lehrer die Schuld zugesprochen.

derStandard.at: Warum wird mehr über Strukturen geredet als über Schulkonzepte?

Mayer: Ich glaube es ist ein Problem innerhalb der Koalition. Es gibt zwei Gruppen die sich sehr schwer tun. Der Punkt ist: Ist man für eine breite individuelle Erziehung von jungen Menschen oder möchte man sie so früh wie möglich auseinanderteilen. Das ist der Kernpunkt jeder Schulreform. Wir haben jetzt für die Sekundarstufe I drei verschiedene Schulformen: Die Hauptschule mit ihren integrierten Gesamtschulversuchen mit der neuen Mittelschule, die AHS und die Sonderschule. Das ist ein so teures System, in dem so viel Geld vergeudet wird. Darum ist die entscheidend Frage: Ist man auch bereit in diesem Bereich den entscheidenden Schritt zu tun. Da ist es zum Teil die ÖVP, die sich ganz massiv dagegen wehrt. Es wird die Hauptherausforderung sein, das zu überwinden.

derStandard.at: Wie beurteile Sie die derzeitige Diskussion zwischen Bund und Ländern um die Kompetenzaufteilung im Schulbereich?

Mayer: Ich sehe das sehr programmatisch. Da ist vielleicht auch meine Vorarlberger Herkunft entscheidend. Bei uns ist eigentlich entscheidend: Wer zahlt, schafft an. Der Bund zahlt die Pflichtschullehrer, der Bund muss die Gesetze dazu erlassen und wir können uns es nicht erlauben neun verschiedene schulgesetzliche Bestimmungen haben. Aber das ist eher eine rhetorische Frage, bei der die Länder versuchen, was sie dafür kriegen und was sie abtauschen können. Es geht vor allem um das liebe Geld. Um den Machteinfluss geht es nicht einmal. Man muss sich vorstellen: Wir haben im Unterausschuss auch über die Verwaltungsreform gesprochen und dort haben der Chef des Rechnungshofes Moser und der IHS-Chef Felderer auf die Frage, wie viele Lehrer in den einzelnen Ländern vom Bund bezahlt werden, aber nicht in den Schulen tätig sind, erklären müssen: Diese Zahlen geben uns die Länder nicht. Es gibt heute Beispiele, wo Lehrer vom Bund bezahlt werden, die angeblich an Schule unterrichten, die es gar nicht mehr gibt. Man kann jetzt Geld ausgeben und dann wird es unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit für verschiedenste andere Zwecke aufgeteilt. Darum glaube ich, dass es eine materielle Frage ist und nicht so sehr eine ideelle.

derStandard.at: Was ist aus den SPÖ-Arbeitsgruppen geworden - eine zum Lehrerdienstrecht und eine zur Lehrerausbildung -, die sie im Juli angekündigt haben?

Mayer: Auf diese beiden Projektteams bin ich besonders stolz, die haben auch über den Sommer getagt. Da geht es mir besonders darum, dass sich Praktiker aus den Schulen einbringen, wenn es darum geht, wie organisieren wir zum Beispiel die Lehrerinnenausbildung neu. Es ist entscheidend, dass ich jene, die Erfahrung haben einbinde. Das ist bisher auf allen Ebenen zu wenig geschehen. Das Ergebnis dieser beiden Projektgruppen wird ein wichtiges Papier in den parlamentarischen Verhandlungen sein, sobald der Entwurf von Seiten des Ministeriums da ist.

derStandard.at: Gibt es da nicht ein Diskrepanz zwischen der SPÖ und einem SPÖ-Geführten Ministerium?

Mayer: Die Ministerin hat nicht die Aufgabe ein sozialdemokratisches Bildungsprogramm durchzudrücken, sondern eines, dass aus Sicht ihrer Experten das Beste wäre. Unsere Aufgabe ist es besonders den sozialdemokratischen Aspekt in den Mittelpunkt zu stellen. Das wäre jetzt die reine Lehre wie wir uns das Vorstellen.

derStandard.at: Stichwort Schulautonomie: Wie weit soll diese reichen?

Mayer:  Ich bin ein Freund von schulautonomen Formen, weil hier die Gemeinden und die Schulpartner mit eingebunden sind. Die Gemeinden sind im Pflichtschulbereich auch Schulerhalter und betreiben einen großen finanziellen Aufwand. Bei einer Autonomie sind sie und die Schulleitungen stärker eingebunden und wissen so auch vor Ort, was gebraucht wird - besser als jemand, der 20 Kilometer entfernt ist wie ein Bezirksschulrat oder 600 Kilometer entfernt wie zum Beispiel das Ministerium. Daher sehe ich im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform eine Kompromissmöglichkeit: Eine gut organisierte Schulautonomie nimmt auch viel von den gegenseitigen Zahnschmerzen.

derStandard.at: Wie sehen sie eine Reform des Sitzenbleibens?

Mayer: Das ist ein Mosaiksteinchen einer Gesamtreform. Das Abschaffen des Sitzenbleibens macht Sinn, aber nur bei anderen Strukturen. Man muss wissen, was biete ich dafür an, dass zum Beispiel in einer bestimmten Klassengemeinschaft das Niveau nicht sinkt. Da kann ich mit einem einfachen Kurs- und Modulsystem machen: Warum soll man noch 14 weitere Fächer ein ganzes Jahr lang wiederholen, die man eigentlich schon positiv abgeschlossen hat, wegen einem Nichtgenügend oder einem zweiten? Wenn ich als Pflichtschullehrer zum Beispiel einen schwächeren Schüler habe, beantrage ich einen Förderbedarf. Und dann ist die erste Frage vom Inspektor: Hat der schon einen Schullaufbahnverlust? Und wenn nicht, dann zuerst sitzenbleibenlassen und dann wieder ansuchen. Das kann es nicht sein.

derStandard.at: Wie geht man damit um, im Bildungsbereich lange an Themen zu arbeiten ohne, dass dabei  Ergebnisse herauskommen.

Mayer: Ich war lange Zeit Bildungssprecher in der Vorarlberger Opposition und habe dort gemerkt wie hart das Bohren dieser Bretter. Wenn du gute Vorschläge hast, die nicht mehr übergangen werden können, kommen sie irgendwann als Feder auf dem Hut der Regierenden. Jetzt habe ich in einer völlig neuen Konstellation, als Vertreter einer Regierungsfraktion, die Möglichkeit die Ideen, von denen ich zutiefst überzeugt bin, umzusetzen. Die Zeit dafür ist reif, weil auch die Unruhe und Unzufriedenheit zu groß geworden ist mit unserem Bildungssystem. (derStandard.at, 30.9.2009)