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Während in Deutschland die Studiengebühren für Proteste sorgen, sind sie bei uns dieses Jahr erstmals wieder großteils abgeschafft. Das kostenlose Studium in Österreich lässt die Unis aus allen Nähten platzen. Man rechnet mit einem Anstieg von mehr als zehn Prozent.

 

 

Foto: AP/Stache
Grafik: Standard

Wien - Die österreichischen Unis platzen aus allen Nähten. Zehn Prozent mehr Studierende an der Uni Wien und an der Uni Graz. In Innsbruck plus 16 Prozent, an der Uni Salzburg steigt die Kurve um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steil an.

Beispiellos ist der Ansturm an Studierenden, mit denen die Unis nach ersten Schätzungen für dieses Semester rechnen - Ursache für die bildungshungrige Begeisterung: Seit 2001 ist das Studium erstmals wieder weitgehend beitragsfrei, die Studentenzahlen mancher Unis sind wieder auf dem gleichen Level wie vor der Gebühreneinführung.

Grund für ministerielle Freudensprünge? Im Gegenteil: Wissenschaftsminister Johannes Hahn ist ungebrochen vom "Projekt Studiengebühr" begeistert, seine Argumente: Die Einführung brachte eine Verkürzung der Studiendauer, höhere Absolventenzahlen und eine niedrigere Drop-out-Quote. "Diese positiven Effekte machen wir uns kaputt, wenn die Unis nun wieder überrannt werden."

Mit seinem jüngsten Vorstoß im Standard machte Hahn dem Koalitionspartner ein Angebot und forderte die Wiedereinführung der Beiträge mit gleichzeitiger Aufstockung der Stipendien, was die SPÖ prompt ablehnte.

Freude herrscht bei der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH): "Die Zahlen zeigen, dass der Zugang leichter wird, wenn keine Gebühren fällig sind" , sagt ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer (Gras). Studiengebühren seien "für bildungsferne Schichten eine zusätzliche Hürde." Stipendien schaffen hier kaum Abhilfe. "Viele Studierende, die Ansprüche hätten, suchen gar nicht um Stipendien" an, erklärt Maurer. Zudem ist Österreich im Stipendienwesen laut OECD Nachzügler. Derzeit bekommen nur 20 Prozent Beihilfen, beim Spitzenreiter Niederlande sind es 84.

Keine Verbesserungen in Sicht

Obwohl der Minister nicht müde wird, das Gesetz, das im September 2008 von SPÖ, Grünen und FPÖ für den Großteil die Gebühren abschaffte, zu kritisieren, hat er auch durch die jüngste UG-Novelle bestehende Schwachstellen nicht repariert, etwa die vielkritisierte Regelung, dass auch für Zweitstudien gezahlt werden muss, selbst wenn man im Hauptstudium in der Zeit ist. Auch juristische Lücken der Gebührenregelung, wonach es "good will" der Unis ist, das Geld bei Erlassgründen rückwirkend zurückzuzahlen, lagen bereits vor der Verabschiedung der Novelle auf dem Tisch - und wurden nicht beseitigt.

Neben diesen inhaltlichen Problemen zur Studiengebührenregelung spricht der Bildungspsychologe Alfred Schabermann ein weiters Problem an: "Studenten müssten für die Gebühren, die sie zahlen, eine Verbesserung sehen, und das haben sie sicher nicht."

"Nur Scheinstudenten"

Um Ausreden angesichts der steigenden Inskriptionszahlen nicht verlegen sind naturgemäß die Gebührenbefürworter. Gerhard Riemer, Bildungsbeauftragter der Industriellenvereinigung, findet, dass den jetzigen Ansturm "nur Scheinstudenten" bilden.

Der Soziologe Christian Fleck meint, dass "jene Maturanten, die sich bei günstigeren Bedingungen einen Job gesucht hätten, nun auf die Unis gehen." Er spricht sich für die Gebühren aus, denn es sei "absurd" , wenn der Kindergarten mehr kostet als die Uni. Jene, "die von der Ausbildung profitieren, sollten sich beteiligen" . Die ÖH widerspricht: "Akademiker müssen aufgrund ihres höheren Einkommens mehr Steuern zahlen, so erhält der Staat sein Geld zurück."

Doch die Gebühren sorgen nicht nur in Österreich für Diskussionen. Derzeit protestieren kalifornische Studenten, die 6000 Euro im Jahr zahlen müssen, gegen den Anstieg um 32Prozent. Auch in Deutschland wurde im Sommer gegen die Einführung der Beiträge demonstriert. Manche veranlassen sie gar zur Flucht: Die Uni Salzburg erklärt sich den großen Ansturm, den sie dieses Semester erfährt, mit dem Zustrom an Deutschen - in den Kommunikationswissenschaften kommt jetzt schon die Hälfte aus dem Nachbarland. (Sophie Niedenzu, Petra Polak, DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2009)