In Johannes Hahn hat ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer keine Erwartungen mehr, Hoffnungen setzt sie noch in ein Treffen mit dem Bundeskanzler. Dass die ÖH nicht gewollt werde, stimme einfach nicht.

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Standard: Wozu braucht man die ÖH überhaupt noch, wenn sich die Studenten jetzt auch ihren Protest schon selbst organisieren?

Maurer: Die ÖH war doch ganz von Anfang an dabei. Ich hab genauso wie alle anderen das Audimax geputzt und einen Workshop dort gemacht. Genauso wie die anderen aus der Bundesvertretung.

Standard: Ihr habt aber offensichtlich als Privatpersonen teilgenommen und nicht als ÖH.

Maurer: Im Audimax und an anderen Universitäten haben sich ganz viele Gruppierungen aus verschiedenen Richtungen zusammengetan. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir als ÖH wollen uns da nicht draufsetzen und dem einen ÖH-Stempel aufdrücken.

Standard: Aber die ÖH ist doch die politische Vertretung der Studenten.

Maurer: Schon, aber die ÖH hat diesen Protest nicht in dieser Form initiiert. Wir sind nicht ins Audimax gegangen und haben gesagt: "Leute, ihr müsst jetzt besetzen." Es ist ein ganz wichtiges Element von diesem Protest, dass er von der Basis kommt und dass nicht eine führende Kraft vorn steht.

Standard: Gibt es auch Momente, wo Ihnen die Basisdemokratie auf die Nerven geht oder zu viel wird?

Maurer: Nein. Basisdemokratie braucht sehr viel Reflexion. Es sind auch sehr viele Leute mit dabei, die das nicht kennen, die auch das Abstimmungsprozedere nicht kennen, dementsprechend ist es teilweise ein bisschen chaotisch.

Standard: Offenbar hat sich der Protest verselbstständigt. Viele Studenten sind der Ansicht, dass sie die ÖH als politische Vertretung gar nicht mehr brauchen.

Maurer: Nein, das stimmt so einfach nicht. Die ÖH war von Anfang an dabei. Es stimmt nicht, dass die ÖH unerwünscht ist.

Standard: Minister Hahn hat gesagt, er würde sich wünschen, dass die ÖH bei den Protesten mehr Einfluss hätte. Ist das nicht peinlich, wenn jetzt der Wissenschaftsminister als Fürsprecher der ÖH auftritt?

Maurer: Es ist ganz klar, was die politische Strategie von Hahn ist: Er will die Bewegung spalten. Deswegen sagt er, er redet nur mit den offiziellen Vertreterinnen. Aber wir von der ÖH haben immer gesagt: "Hey Hahn, komm her ins Audimax und rede mit den Leuten."

Standard: Wird Hahn kommen?

Maurer: Ich glaube, dass er dafür zu feig ist. Er hat sich ja nicht einmal nach Innsbruck getraut. Da war eine Protestaktion mit Lufballons geplant, und das war ihm zu heiß.

Standard: Habt ihr noch irgendeinen Draht zur Politik?

Maurer: Wir werden einen Termin mit dem Bundeskanzler ausmachen. Er hat gesagt, er versteht die Anliegen der Studierenden, und dementsprechend erwarten wir uns von ihm auch, dass er das nicht nur bei leeren Worten belässt.

Standard: Habt ihr noch Erwartungen in Hahn?

Maurer: Ganz ehrlich, nein. Der ist geistig schon in Brüssel. Wir haben ihn ja getroffen. Der hat kein Interesse für Bildungspolitik. Jede einzelne Besetzerin in diesem Audimax hat doppelt so viel Leidenschaft für Bildungspolitik.

Standard: Wen würdet ihr euch als Nachfolger von Hahn wünschen?

Maurer: Jemanden, der auf die Bedürfnisse der Studierenden eingeht und am besten gleich das Uni-Gesetz ändert, weil wir mehr demokratische Mitbestimmung brauchen. Es müsste jemand sein, der in Bildungsfragen leidenschaftlich ist und Visionen hat. Das muss über die Zahl der Absolventinnen, über Effizienz und Arbeitsmarktleistung hinausgehen. Diese marktwirtschaftlichen Überlegungen funktionieren eh nicht.

Standard: Hättet ihr lieber jemanden aus dem Universitätsbereich? Die Rektoren Badelt und Winckler sind im Gespräch.

Maurer: Winckler und Badelt sind genauso für Zugangsbeschränkungen. Die reden auch von höheren Absolventenzahlen und niedrigerem Dropout. Bildung hat auch einen gesellschaftlichen Wert.

Standard: Wie lange wird der Protest noch durchhalten? Merkt man schon Ermüdungserscheinungen?

Maurer: Natürlich sind die Leute müde, aber es rotiert ja. Es sitzen nicht jeden Tag dieselben Leute im Audimax und an den anderen Universitäten. Da gibt es eine hohe Fluktuation. Die haben sich so professionell eingerichtet, ich glaube, das könnte ewig gehen. Es sind die zwei größten Hörsäle an der Uni Wien besetzt. Es ist die TU besetzt, das Tüwi, die Sowi an der Uni Innsbruck. Salzburg. Linz. Graz.

Standard: Was müsste passieren, dass ihr jetzt sagt, wir haben etwas erreicht?

Maurer: So einfach ist es nicht. Wir brauchen eine ganz grundsätzliche Bildungsdiskussion. Das ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren komplett verabsäumt worden.

Standard: Das klingt nach einer jahrelangen Audimax-Besetzung.

Maurer: Wie lange die Besetzung dauert, können wir nicht abschätzen. Aber klar ist, dass daraus eine Diskussion resultieren muss. Die Leute sind extrem angefressen auf die Politik, weil sie das Gefühl haben, sie werden verraten. Und sie haben recht. Jetzt muss man über die großen Fragen diskutieren. Das will dieser Protest sagen. Wenn es ein Jahr, zwei Jahre dauert, dann dauert es so lange. Aber ich glaube, es ist ganz wichtig, diesen Prozess jetzt endlich zu starten. (Tanja Traxler, Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 31.10.2009)