Wien - Der Peoples Temple war in den 1970er-Jahren ein ziemlich großes Thema - in Österreich natürlich auch in Zusammenhang mit der Mühl-Kommune: Die von Jim Jones gegründete Sekte wanderte, unter medialem Druck stehend, von Nordkalifornien nach Guyana aus. Am 18. November 1978, nach einem Besuch des US-Kongressabgeordneten Leo Ryan mit Journalisten in Jonestown, der als "Angriff" verstanden wurde, beging die Tausendschaft kollektiv Selbstmord: An alle wurde mit Limonade vermischtes Zyanid ausgegeben.

Aus den umfangreichen Archivmaterialien, die zum Großteil erst übersetzt werden mussten, haben Nora Hertlein und Veronika Maurer in monatelanger Recherchearbeit das Doku-Drama "Endstation Jonestown" kompiliert. Zur Uraufführung gelangte die dichte Montage aus Originalzitaten, die an das thematisch ähnliche Masada von George Tabori erinnert, nun im Vestibül des Burgtheaters.

Bühnenbildnerin Sabine Freude versuchte erst gar nicht, gegen die dominanten Marmorvertäfelungen anzukämpfen: Sie ergänzte sie bloß durch einen Wasserspender und weiße Pappbecher sonder Zahl. Anfangs dürfen sich die fünf Schauspieler, die eine Vielzahl von Personen verkörpern, laben: nach dem Rekrutieren neuer Mitglieder und beherztem Singen von Gospels. Später verwenden sie die Becher als "Baumaterial" für "Jonestown". Und immerzu ist klar: Aus ihnen wird das Gift getrunken. Abgesehen davon, dass Pappbecher auch in der Wolf-Haas-Dramatisierung "Das ewige Leben" am Grazer Schauspielhaus eine zentrale Bühnenbildfunktion einnehmen: Die Metapher ist ein wenig gar platt.

Zudem kapituliert Regisseurin Hertlein vor der Wucht des Authentischen: Zum Schluss lässt sie das Originaltonband abspielen, das während der Zyanid-Ausgabe aufgenommen worden war. Man wird Ohrenzeuge des Mordes an zahlreichen Kindern. Gegen dieses Dokument wirkt jeder Versuch, Theater daraus zu machen, lächerlich. Die Entwicklung hin zum brutalen Ende gelingt Sabine Haupt, Delia Mayer, Merle Wasmuth, Hans Dieter Knebel und Markus Meyer aber packend wie plastisch. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe 2.11.2009)