Das Kreuz mit dem Kreuz in den Schulen: In Österreich ist die Anbringung gesetzlich vorgesehen, wenn die Mehrheit der Schüler einem christlichem Religionsbekenntnis angehören.

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Rom - Kruzifixe dürfen nicht in den italienischen Schulklassen hängen, weil damit das Recht der Schüler auf Religionsfreiheit verletzt wird. So urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der einen entsprechenden Antrag einer italienischen Staatsbürgerin annahm. Kreuze in den Klassenzimmern würden auch das Recht der Eltern verletzen, die Kinder nach den eigenen Überzeugungen zu erziehen.

Italienerin erhält Entschädigung

Die Straßburger Richter urteilten, dass die italienische Regierung der Italienerin eine Entschädigung von 5.000 Euro für moralische Schäden zahlen müsse. Die Frau finnischer Abstammung führt seit Jahren einen Kampf gegen Kruzifixe in den italienischen Klassenzimmern.

Im Schuljahr 2001/02 besuchten ihre Kinder einen öffentliche Schule, in deren Klassenzimmer Kruzifixe aufgehängt waren. Für die Italienerin widersprachen die Kreuze ihrem Wunsch, die Kinder säkular zu erziehen. Nach einer Beschwerde beschloss die Schulbehörde die Kruzifixe hängen zu lassen. In weiterer Folge empfahl das italienische Bildungsministerium solch ein Vorgehen in ähnlichen Fällen. 

Verfassungsgericht in Rom entschied für Kruzifixe

Das Verfassungsgericht in Rom entschied im Jahr 2005, dass das Kreuz bleiben dürfe. Die Verfassungsrichter lehnten damals einen Antrag des Verwaltungsgerichts der nordostitalienischen Region Venetien ab, wonach das in italienischen Schulen und öffentlichen Ämtern aufgehängte Kreuz dem Prinzip der Trennung von Kirche und Staat widerspreche.

In der Vergangenheit hat es in Italien schon mehrfach Diskussionen um Kreuze in Klassenzimmern gegeben. Auch Papst Benedikt XVI. hatte sich in die Debatte eingeschaltet und sich nachdrücklich für die Darstellung von Kruzifixen in der Öffentlichkeit ausgesprochen.

Österreich: Kreuze erlaubt und erwünscht

Auch in Österreich ist das Kreuz in Schulklassen immer wieder Thema. Zuletzt gab es im vergangenen Jahr eine Debatte über Kreuze in Linzer Kindergärten. Auch in diesem Zusamenhang forderte die FPÖ Kreuze in allen Schul- und Kindergartenklassen - auch dort, wo Kinder christlich-religiösen Bekenntnisses in der Minderheit sind.

Das Religionsunterrichsgesetz sieht in seinem §2b Folgendes vor:

"(1) In den unter § 1 Abs. 1 fallenden Schulen, an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen
Religionsbekenntnis angehört, ist in allen Klassenräumen vom Schulerhalter ein Kreuz anzubringen. "

Religionsexperte: "In Österreich keine Judikatur"

Religionsrechtsexperte Stefan Schima von der Uni Wien geht - ohne die einschlägigen italienischen Rechtsquellen zu kennen - davon aus, dass das Urteil des EGMR keine unmittelbaren Auswirkungen für die Rechtslage in Österreich hat. "Man kann allerdings nicht ausschließen, dass auch Österreich in einem entsprechenden Urteil einmal gerügt wird".

Generell sei in Österreich die Rechtslage etwas anders, da nur in Schulen, in denen mehr als die Hälfte der Kinder christlichen Bekenntnisses sind, Kreuze angebracht werden müssen. Diese Vorschrift, so der Experte, könnte dem EGMR besser gefallen als die strengere italienische. Judikatur zum Kruzifix-Thema gibt es in Österreich nicht. Das EGMR-Urteil könnte, so Schima, also durchaus als Orientierungshilfe dienen. Dass der Kruzifix-Streit jetzt neu aufflammt, kann sich der Jurist vorstellen.

Verfassungsjurist Heinz Mayer betonte am Dienstag im Gespräch mit der APA, derartige Symbole hätten in einem Klassenzimmer nichts zu suchen. Sein Kollege Bernd Christian Funk ist der gleichen Meinung, dies widerspreche der Neutralität des Staates in religiösen Fragen. "Ich habe das immer schon so gesehen", erinnerte Mayer an die Diskussion nach einem Spruch des deutschen Bundesverfassungsgerichtes bezüglich der Anbringung von Kreuzen in bayerischen Klassenzimmern 1995. (az, derStandard.at, 3.11.2009)