Salzburg - Die Geburtsstunde der Salzburger Festspiele schlug am 22. August 1920: mit der Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals Jedermann in der Regie Max Reinhardts. Doch erst 2010, also im 91. Sommer, feiert das Festival sein 90-Jahr-Jubiläum (von 25. Juli bis 30. August). Als Begründung für die Verspätung führte Gerbert Schwaighofer, der kaufmännische Direktor, bei der Programmpressekonferenz das Kriegsjahr 1944 an: Damals kamen die Festspiele nicht über eine Generalprobe hinaus - und fanden somit nicht statt.

Dank dieses Tricks kann kommendes Jahr also "Das große Welttheater" in mehreren Ausstellungen zelebriert und der Gründungsväter gedacht werden. Im Park von Schloss Leopoldskron, das einst Reinhardt gehörte, wird dessen Sommernachtstraum-Verfilmung gezeigt - im Rahmen eines szenisch aufgepeppten Picknicks. Auf dem Domplatz stirbt mit Nicholas Ofczarek der jüngste Jedermann der Festspielgeschichte. Und Intendant Jürgen Flimm bringt zum Abschied Strauss' Elektra (Regie: Nikolaus Lehnhoff).

Die Wiederaufnahmen (Roméo et Juliette mit Anna Netrebko, Don Giovanni mit Erwin Schrott) dirigiert Yannick Nézet-Séguin, Edita Gruberová singt in einer konzertant wiedergegebenen Norma. Und für Nikolaus Harnoncourt, der Bergs Lulu leiten sollte, springt Marc Albrecht ein. Zum Festival-motto passen die Gluck-Oper Orfeo ed Euridice (Dirigent: Riccardo Muti) und Wolfgang Rihms Musiktheater Dionysos (Dirigent: Ingo Metzmacher).

Depardieu als Sprecher

Konzertchef Markus Hinterhäuser lässt anlässlich dieser Uraufführung den "Kontinent Rihm" erkunden, in dessen Rahmen es auch wieder eine szenische Produktion (Choreografie: Sasha Waltz) gibt. Filmstar Gérard Depardieu fungiert als Sprecher in Prokofjews Iwan der Schreckliche, seine ehemalige Filmpartnerin Fanny Ardant als Sprecherin in Arthur Honeggers Oratorium Jeanne d'Arc au bucher.

Theaterchef Thomas Oberender steuert zum "Mythen"-Motto Ödipus auf Kolonos (Regie: Peter Stein, mit Klaus Maria Brandauer), Phädra von Jean Racine (Regie: Matthias Hartmann, mit Sunnyi Melles) und - im Rahmen des Young Directors Project - Jon Fosses Tod in Theben bei. Er kreierte aber auch einen eigenen Österreich-Schwerpunkt: mit der Stefan-Zweig-Dramatisierung Angst (Regie: Jossi Wieler, mit André Jung) und einem politisch brisanten Programm rund um Claudio Magris als "Dichter zu Gast". (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.11.2009)