Der Zürcher hat es gerne feucht. Ob Zürichsee oder Limmat, jede Gelegenheit wird genutzt...

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...um sich dem Wasser zu nähern. Mit über 40 Bä­dern hat Zürich die höchste Dichte der Welt.

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Pech gehabt, aber der Zürcher fährt ohnehin gerne Rad. Von Mai bis Oktober verleiht „Züri rollt“ gratis Fahrräder.

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Jede Menge Dachterrassen zieren die Altstadt. Wenn die Temperaturen es zulassen, wird auch gerne dort übernachtet.

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Ob gelb oder rot, der Backstein prägt das Stadtbild, hier die ehemalige Schiffswerft in Züri-West, heute wird dort gegessen und getrunken...

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...zum Beispiel im Lasalle. Dort sollte man sich von "Pferdefilet mit Knoblauch" nicht abschrecken lassen und ein loses Börserl haben.

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So ruhig es in der "Zukunft" nur unter Tags. Am Abend trifft sich hier das tanzfreudige Volk.

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Bei Frau Maria Binder müssen Sie unter Umständen ein wenig bluffen. Falls ihre Wohnung nämlich einer Dunkelkammer gleicht, wird Ihnen Frau Binder keine Blumen verkaufen. Da hilft auch kein Geld, da ist die gute Dame streng: das Wohl der Pflanzen zuerst, dann das Geschäft. Ist der Handel aber in die Gänge gebracht, wird Frau Binder Ihnen je nach Anlass das schönste aller möglichen Gestecke anfertigen. Darin hat sie reichlich Erfahrung, Frau Binder geht langsam auf die neunzig Jahre zu und betreibt im Oberdorf, dem südlichen Teil der Altstadt von Zürich, ihr Geschäft mit den Blumen.

 

Ein Leben mit Qualität

Derartige Vitalität ist dieserorts keine Überraschung, in Zürich lebt es sich gut, die Stadt braucht keinen Vergleich zu scheuen: die Unternehmensberatung W. M. Mercer attestierte den knapp 375.000 Einwohnern im Jahr 2007 zum sechsten Mal in Folge allerhöchste Lebensqualität, da kann selbst Wien nicht folgen. Auf der Habenseite steht natürlich der See, sich an die Stadt schmiegend, ist er des Zürchers liebstes Naherholungsgebiet. Kaum zeigt der Winter ein wenig Gnade, strömen die Menschen ans Ufer und sprechen stolz von "italienischen Verhältnissen". Aber selbst der Betrieb am See wird demnächst neue Dimension erfahren: Public Viewing ist im Juni das Stichwort am Bellevue, bis zu 60.000 ZuschauerInnen werden die Spiele der EURO 2008 auf Großbildschirmen mitverfolgen. Selbst böseste Zungen werden dann nicht mehr behaupten können, Zürich sei zwar doppelt so groß wie der Wiener Zentralfriedhof, aber nur halb so lustig.

Zürich hat Zukunft

Dem ist nämlich definitiv nicht so, ganz im Gegenteil, wie der umtriebige Nachtschwärmer mit Freude feststellt. Manche Stimmen warnen zwar vor einem Besuch der vor allem als Rotlichtmilieu bekannten Langstraße ("Falsche Zeit, falscher Ort, das kann leicht zu falschen Zähnen führen"), aber so wild ist es dann doch nicht und ein Besuch lohnt, denn das Viertel hat Zukunft, so der Name eines Klubs mit Wohnzimmeratmosphäre und vielfältigem Musikprogramm. Leicht zu finden ist das Lokal nicht, denn es versteckt sich im Kellergeschoß eines unauffälligen Wohnhauses, keine Leuchtreklame, kein roter Teppich vor der Eingangstüre. Man hat es eben gern "ein wenig dezenter", verrät Sacha Winkler, einer von sechs Köpfen hinter der Zukunft. Winkler ist auch als DJ Kalabrese ein Begriff, wie seine Kollegen ist er tief in der Musikszene verwurzelt, das birgt Vorteile: viele Plattenleger bespielen das Lokal zu amikalen Gagen. Anders wäre das üppige Programm wohl nicht zu bieten, nur zweihundert Gäste finden Platz, das entspricht dem Trend. "Es geht jetzt wieder zu kleineren Klubs", so Winkler. Und die forcieren nicht die Konkurrenz, man spricht sich lieber ab, etwa mit dem angesagten Elektro-Schuppen Hive, um nicht am selben Abend identes Zielpublikum anzusprechen.

Wo Trends gesetzt werden

Das Hive liegt in Züri-West, das gerne als "Trendquartier" bezeichnet wird. Die unter Denkmalschutz stehenden Backsteinbauten lassen keinen Zweifel an der Geschichte des Viertels aufkommen, hier war einst die Industrie zuhause, nun sind es die Menschen. Die ehemalige Schiffswerft beherbergt zum Beispiel ein Restaurant (Lasalle), einen Jazzclub (Moods) und eine Bar mit Ausblick (Nietturm). Die alte Gießerei wiederum vereint als "Puls 5" neben Gastronomie auch Wohnungen und Büroräume. Seit den Siebzigern bildet Züri-West den notwendigen Konterpunkt zur etwas steifen Welt der Banker und Versicherer. Die einzige Konstante, so sagt man, wäre hier der Wandel. Das nächste Projekt schießt in Kürze aus dem Boden: mit dem 126 Meter hohen "Prime Tower Zürich" entsteht das höchste Gebäude der Schweiz. Dann muss man auch nicht mehr den recht wackeligen Turm zu Bobo in Form der neun übereinander gestapelten Container der Firma Freitag und seine Höhenangst überwinden, um einen feinen Ausblick über die Stadt zu genießen. Es sei denn, man hat ein Faible für etwas überteuerte, aber doch robuste Taschen aus "weitgereisten LKW-Planen".

Hip und Hype

Manchen ist der Hype um Zürichs Westen gar ein wenig ungeheuer. "Wir waren schon lange vor dem großen Andrang da – es hat sich viel getan, aber viele Lokale und Geschäfte sind auch wieder verschwunden. Vom Konzept her wollte man sich an die Reichen wenden, aber die gehen an die Bahnhofstraße", meint etwa Monika Michel, Miteigentümerin des "Sphères", einer sympathischen Mischung aus Bar, Bücherei und Veranstaltungsforum. Wie auch immer, im Sommer legt sich Zürich ob reich oder arm ohnehin an den See. Denn Sonne ist wichtig, fragen Sie Frau Binder. (Philip Bauer, Rainer Schüller; derStandard.at)