Wien - "Die Uni brennt!" seit genau sechs Wochen. Mit dem feurigen Slogan zündeten Studierende der Akademie der bildenden Künste Wien am 22. Oktober mit ihrer Demonstration gegen "untragbare Zustände im Bildungssystem" den Funken für eine Protestwelle, die noch am selben Tag in der Okkupation des größten Hörsaals des Landes, des Auditorium Maximum der Uni Wien, durch mehrere hundert Studierende gipfelte.

Während die Rektorate der noch besetzten Unis mit den Besetzern über Abzugskonditionen verhandeln, setzte sich ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger am Donnerstag demonstrativ an die Spitze derer, denen es reicht mit den Besetzungen.

"Teuerste Studenten-WG"

Die Junge ÖVP, die von der "teuersten Studenten-WG" sprach, im Schlepptau, erinnerte Kaltenegger den Rektor der Uni Wien, der sich seiner Meinung nach schon viel zu lange besetzen lässt, an seine Hausherrfunktion. Auch weil sich immer mehr studierwillige Studierende bei der ÖVP melden würden, die Zugang zur besetzten Lehrstätte verlangten, so Kaltenegger. Rektor Winckler solle also dafür sorgen, dass das Audimax endlich geräumt werde - oder es räumen lassen. Wenn's sein muss, gern auch polizeilich: "Auch diese Möglichkeit steht dem Rektor offen."

Das ist Winckler sicher bekannt, nur hat er bis jetzt keinen Gebrauch von der Exekutive gemacht, um das lästige und teure Intermezzo im Audimax (bis jetzt mehr als eine halbe Million Euro für angemietete Ersatzhörsäle) solcherart exekutieren zu lassen. Er will die Sache selbst lösen, statt lösen zu lassen.

Anders als so mancher Rektor in Deutschland, wo sich Studenten in rund 20 Städten dem Protest anschlossen. Dort wurde mehrfach nicht lange gefackelt und schnell geräumt, in Tübingen etwa, und zuletzt in der Nacht auf Donnerstag in Frankfurt am Main. Dort ließ die Leitung der Goethe-Universität an die 200 Studenten von Polizisten aus dem besetzten historischen Casino hinaustragen.

In Wien setzt die Unileitung bei allen Appellen für eine Freigabe des dringend benötigten Audimax nach wie vor auf Verhandlungen: "Politische Lösungen sind immer besser" als eine Räumung.

Auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn (VP) will akademische und nicht polizeiliche Lösungen. "Besetzung war gestern, heute ist Dialog", sagte Hahn zum Standard und erinnerte die Besetzer daran, dass er Schritte gesetzt habe, "die SPÖ hat sich bewegt", die Rektorate verhandelten, nun sei es an der Zeit, dass sich auch die Studierenden bewegten.

Audimaxistische Weihnacht

Er meinte die im Audimax. Die "vertriebenen" Studenten, die eigentlich im Audimax sein sollten, aber besetzungsbedingt ins Austria Center Vienna zur Vorlesung "Einführung in die Rechtswissenschaften" pendeln müssen, bekommen heute, Freitagfrüh, Besuch von Rektor Winckler. Am späten Nachmittag geht er in die Höhle der Löwen und diskutiert im Audimax.

"Das Wichtigste an diesem Gespräch ist, dass Winckler somit das Audimax akzeptiert. Das ist eine Legitimation des Plenums" , sagt Flora Eder, ÖH-Chefin an der Uni Wien, zum symbolischen Wert des Rektorenauftritts. Es sei aber kein Verhandlungstermin. Prinzipiell sieht Eder eine positive Entwicklung der Gespräche. "Vizerektorin Christa Schnabl geht nun in der Diskussion auf uns zu", berichtet die Studentenvertreterin von den "Vorgesprächen" zum inneruniversitären Dialog am 10. Dezember. ÖH und Besetzer fordern acht Kommissionen, die Umsetzungsbedingungen der Forderungen und Spielräume in bestehenden Strukturen ausloten. Diese sollen der Uni-Organisation beratend zur Seite stehen.

Schon derzeit herrscht besinnliche Stimmung im Audimax, wenn den Klängen des Klavierflügels gelauscht wird. Himmlische Ruh soll aber auch über die Ferien nicht einkehren, geht es nach dem harten Kern der Bewegung. Eine eigene AG "Weihnachtsprogramm" will dem Protest über die Ferien einheizen. Die "Audimaxisten" wollen sich vor allem langfristig absichern. So sorgt etwa die AG "Schöner Wohnen" für die häusliche Einrichtung und kümmert sich um die immer zahlreicheren Obdachlosen. Angst vor einer Räumung haben sie nicht im Audimax, sagt eine Aktive zum Standard: "Eine Räumung würde die Bewegung nur zusätzlich pushen." (Birgit Baumann, Julia Grillmayr und Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2009)