Herbert Kickl will nicht nur auf die Zuspitzung beim Ausländerthema setzen. Die inhaltliche Breite der FPÖ könne man auch in der Sozialpolitik belegen - mit Angriffen auf Privilegien.

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Standard: Wir sprechen rund um den Jahreswechsel mit allen Generalsekretären. Bei Ihnen erwarte ich eigentlich nicht, dass Sie mir erzählen, dass das Jahr 2009 ein besonders schlechtes für die FPÖ gewesen wäre, oder?

Kickl: Selbst wenn man sich sehr bemühen würde, wird es wohl nicht gelingen, das so darzustellen. Wir waren 2009 erfolgreich - und wollen das im Jahr 2010 fortführen. Denn da schließt sich mit der Wiener Landtagswahl ein gewisser Kreis.

Standard: Ein Kreis, den der damals neu installierte FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache 2005 nach der Abspaltung des BZÖ zu zeichnen begonnen hat?

Kickl: Ja, das war damals eine sehr wichtige Wahl. Es ist Strache damals gelungen, die FPÖ neu zu positionieren und ein starkes Lebenszeichen zu setzen.

Standard: Wäre die Wiener Wahl 2005 kein Erfolg für die FPÖ gewesen, dann wäre es um ihren Bestand düster gewesen?

Kickl: Der 23. Oktober 2005 war ein politischer Lostag. Das hätte schwierig werden können. Wir haben uns aber mit konsequenter politischer und programmatischer Arbeit positioniert und waren mit 14,83 Prozent erfolgreich. Und wir haben diesen Erfolg dann anschließend in ein Bundesland nach dem anderen getragen - und zu allen Bundeswahlen.

Standard: Nur bei der EU-Wahl im heurigen Jahr haben Sie ein wenig ausgelassen, da sind Sie mit 12,7 Prozent doch weit unter Ihren eigenen Erwartungen geblieben?

Kickl: Die EU-Wahlen haben ein eigenes Charakteristikum. Hier hat man es immer wieder mit dem Phänomen zu tun, dass Gruppen, von denen man sonst nichts hört, auftreten. Und dass Personen, die sonst auch eher wenig Aufmerksamkeit bekommen, in der Öffentlichkeit bemerkt werden und dann auch tatsächlich Unterstützung bekommen. Daher fallen diese Wahlen ein bisschen aus dem normalen Schema. Aber auch wenn man das weglässt, können wir sagen, dass wir da erfolgreicher waren, als wir es schon einmal gewesen sind.

Standard: Und was hat Sie im Jahr 2009 am meisten gefreut?

Kickl: Das war sicher der Doppelpack-Wahlerfolg in Vorarlberg und Oberösterreich. Das sind zwei Landesgruppen, bei denen es in der Vergangenheit teilweise Auseinandersetzungen und Unsicherheiten gegeben hat. Die Wahlen haben gezeigt: Das ist ausgeräumt, wir sind eine geschlossene Partei.

Standard: Und das wurde durch den Zusammenschluss mit den Freiheitlichen in Kärnten gekrönt?

Kickl: Bitte, ich lege Wert darauf: Das ist kein Zusammenschluss, die FPÖ und unsere Kärntner Freunde bilden zwei eigenständige Parteien. Aber wir werden gemeinsam erfolgreich sein.

Standard: So erfolgreich wie zunächst verkündet war das aber nicht. Dem FPK-Chef Uwe Scheuch sind nicht einmal alle Kärntner Mandatare gefolgt, und innerhalb der Landesgruppe scheint es auch nicht nur Einigkeit zu geben. War das doch nicht so professionell vorbereitet, wie behauptet wurde?

Kickl: Unprofessionell wäre, wenn man nicht damit gerechnet hätte, dass es da Querschüsse gibt. Das muss man verstehen - es gibt im BZÖ ja Leute wie Peter Westenthaler, deren politische Existenz auf Kärntner Stimmen beruht und die nun um ihr Überleben fürchten.

Standard: Sie rechnen also damit, dass sich Scheuch durchsetzt?

Kickl: Absolut.

Standard: Und gibt es da für ihn Unterstützung von der FPÖ in Wien?

Kickl: Ich kenne die Kärntner Führung aus meiner Zeit in Kärnten sehr gut - und ich weiß, dass die keinen Rat und keine Hilfe aus Wien brauchen.

Standard: Sie selbst werden ja mit der Vorbereitung der Wiener Wahl auch anderes zu tun haben?

Kickl: Uns ist da im Vorfeld schon einiges gelungen. Der, der da über eine Duellsituation gewitzelt hat, der muss jetzt H.-C. Strache als den einzigen Herausforderer anerkennen. Mich erinnert das daran, wie Leute vor Jahren gewitzelt haben, wie sich ein Arnold Schwarzenegger einbilden könnte, Gouverneur von Kalifornien werden zu können - dieselben Leute stellen sich nun bei ihm um Termine an.

Standard: Strache selbst sagt, dass es diesmal für den Bürgermeisterposten wohl nicht reichen wird?

Kickl: Seien wir realistisch: Unser Ziel ist es, die 20-Prozent-Marke zu überspringen - je höher, desto besser für Wien - und die absolute SPÖ-Mehrheit zu brechen.

Standard: Und was machen Sie dann mit dem Wählervertrauen? Ich meine: Michael Häupl wird doch Bürgermeister bleiben, auch ohne Unterstützung der FPÖ?

Kickl: Das wird man sehen. Ich rechne eigentlich, dass das die letzte Wahl ist, in der Häupl antritt, und dass uns gleich danach jemand ganz anderer präsentiert wird. Aber wir kämpfen ja nicht nur gegen Häupl und das noch viel weiter zurückreichende System im roten Wien, sondern für unsere programmatischen Ziele ...

Standard: ... von denen man allerdings nur die scharfe Ablehnung der Zuwanderung erkennen kann.

Kickl: Ich gebe zu: Man nimmt noch zu wenig wahr, dass wir ein politisches Vollsortiment bieten - mit sehr anspruchsvollen Vorschlägen etwa in der Familienpolitik. Aber Sie kennen ja den Spruch: Wer Großes will, muss sich beschränken. Tatsächlich wird es aber an uns liegen, im Jahr 2010 die inhaltliche Breite auch dem Wähler zu vermitteln.

Standard: Sie persönlich stehen ja als freiheitlicher Sozialsprecher für linke Inhalte. Nicht einmal die Gewerkschaft verteidigt die Hacklerregelung so vehement wie Sie - aber Sie sagen nicht dazu, dass Ihr Modell zu extremen Kosten führt.

Kickl: Ich bin nicht bereit, eine Debatte zu führen, wo bei den Pensionen immer gleich von Unfinanzierbarkeit gesprochen wird.

Standard: Aber man müsste nach Ihren Vorstellungen massiv umverteilen?

Kickl: Wenn Sie sagen, dass ich linke Politik mache, dann sage ich: Ja, ich bin für Umverteilung - von Ausländern zu Einheimischen; von denen, die Privilegien haben, zu denen, die etwas leisten, und denen, die wirklich bedürftig sind. Wenn Sie sich die Pensionen der Landesbeamten anschauen - dafür ist offenbar genug Geld da. Aber da geht es ja auch um die Klientel von Rot und Schwarz, die das in stillem Einvernehmen geregelt haben. Wir sind die Einzigen, die da nicht mitmachen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe 30.12.2009)