"Schönreden ist sicher kein Rezept. Aber Resignation oder das Schlechtreden ist es genauso wenig", sagt Laura Rudas.

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Standard: 2009 war für die SPÖ eher ein Katastrophenjahr. Ist in der Partei schon Ursachenforschung betrieben worden, woran das gelegen haben könnte?

Rudas: Natürlich. Wenn man sich das national, aber auch international anschaut, gibt es mehrere Gründe. Traditionell ist es so, dass es jene, die Reformen wollen und die verändern wollen, schwerer haben. Ein zweiter Grund ist, dass die Erwartungshaltung an die Sozialdemokratie höher ist als an andere Parteien. In der Opposition hat die SPÖ deutlich dazugewonnen - und zwar auf allen Ebenen. Ab dem Moment, wo wir in der Regierung sind, ist es schwer, dieses hohe Niveau zu halten. Und in einer Koalition kann man diese hohe Erwartungshaltung nur teilweise erfüllen.

Standard: Was will die SPÖ tun, dass 2010 nicht noch einmal so ein Katastrophenjahr wird? Es gibt drei Landtagswahlen. In Wien und Burgenland droht der Verlust der Absoluten, in der Steiermark wackelt der Landeshauptmann.

Rudas: Einfache Konzepte gibt's nicht. Aber in allen drei Bundesländern haben wir erfahrene und beliebte Landespolitiker, die sich der Wahl stellen. Eine Wahl wird nur gewonnen, wenn man sich anstrengt und die Leute überzeugt. Was die Bundesebene betrifft: In erster Linie muss es darum gehen, die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Man soll Sachen erst dann ankündigen, wenn man weiß, dass man sie auch umsetzen kann.

Und gleichzeitig muss man aufzeigen, wo die Unterschiede zwischen einer großen Koalition und einer SPÖ-Alleinregierung wären. Man muss erklären, was man mit diesem Koalitionspartner umsetzen kann - aber auch, wo man ohne diesen hingehen würde. Die Glaubwürdigkeit, die die Sozialdemokratie verloren hat, kann man nur Schritt für Schritt zurückgewinnen.

Standard: Bei der SPÖ scheint es eine Eigensicht und eine Fremdsicht zu geben. Die Eigensicht lautet: Es läuft eh alles super. Und die Fremdsicht: Das sind die Wahlergebnisse und die Umfragen.

Rudas: Ich rede nichts schön. Weder was die letzten Wahlen noch was die letzten Jahre betrifft. Schönreden ist sicher kein Rezept. Aber Resignation oder das Schlechtreden ist es genauso wenig. Die Sozialdemokratie muss 2010 selbstbewusst auftreten und mutig sein, und wir müssen laufen, zu den Leuten hingehen. Durch die Analyse alleine werden keine Wahlen gewonnen.

Standard: Was heißt das für den Umgang mit der ÖVP?

Rudas: Die ÖVP gewinnt und verliert für uns nicht Wahlen. Das müssen wir schon selber machen. Ich kenne niemanden, der sagt: "Was ist denn der Unterschied zwischen SPÖ und ÖVP?" Das ist eine Diskussion zwischen Journalisten und Politikern. Wo setzen sich die einen mehr durch, wo die anderen? Da wird die SPÖ viel kritischer analysiert. Die ÖVP wird nie gefragt: "Was habt ihr alles durchgesetzt?" Das fragt man die Partei, die verändern will, und das ist die SPÖ. Aber nein, ich brauche nicht die ÖVP, um mutig zu sei. Das ist schon an die SPÖ gerichtet: Wir müssen mutiger sein, müssen uns jedem Thema stellen.

Standard: Sie sind auch für die Kommunikation in der Partei zuständig. Gibt es da etwas, wo Sie ehrlich sagen müssen, das ist echt in die Hose gegangen?

Rudas: Ja natürlich, das gibt es immer. Es hätte uns zum Beispiel gelingen müssen, besser zu kommunizieren, dass es die SPÖ war, die sich in der Frage der vorgezogenen Steuerentlastung durchgesetzt hat. Da hat sich die ÖVP vehement dagegen gewehrt, dann haben wir uns durchgesetzt und es umgesetzt. Und man muss ehrlich sagen, die ÖVP hat uns das Thema dann weggenommen. Da gibt es leider einige Beispiele.

Standard: Was ist das dringlichste Projekt für dieses Jahr?

Rudas: Ein Staat, der immer Leistung predigt, muss auch selbst etwas leisten. Die Verwaltungsreform darf nicht mehr aufgeschoben werden, es muss im Jahr 2010 ernsthafte Schritte zur Effizienzsteigerung in der Verwaltung des Staates geben.

Standard: Das hört man jedes Jahr.

Rudas: Umso wichtiger ist es. Es wird auch darum gehen, wie man das Budget konsolidiert. Kein Steuerzahler wird akzeptieren, dass man ihn jetzt mehr belastet. Der Staat muss den Anfang machen. Österreich ist nicht effizient genug verwaltet. Auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird nach wie vor auf der Tagesordnung stehen, denn die Krise ist noch nicht vorbei. Das dritte entscheidende Thema ist die Bildungsreform.

Wir müssen in der gemeinsamen Ausbildung der Lehrer, aber auch beim ganztägigen Schulangebot etwas weiterbringen. Und eine Ungerechtigkeit gehört beseitigt: Eine Nebenbeschäftigung von Lehrern ist die Nachhilfe. Immer öfter höre ich, dass Lehrer auch Schülern der eigenen Schule Nachhilfe geben. Ich halte es schon für dubios, dass man sich im Lehrerzimmer gegenseitig die Nachhilfeschüler zuordnet. Polizisten müssen ihre Nebenbeschäftigungen auch melden. Das verlange ich auch für Lehrer. Es braucht eine klare Regelung, welcher Nebenbeschäftigung sie nachgehen dürfen.

Standard: Wie soll das gehen?

Rudas: Es müssen für die Nebenbeschäftigungen von Lehrern klare Regeln aufgestellt werden. Lehrer werden von Steuerzahlern dafür bezahlt, dass die Schüler etwas lernen. Und dass sie nicht am Nachmittag nochmals gegen viel Bezahlung nachlernen müssen. Das ist doch seltsam: Die Lehrer können es am Nachmittag schon erklären, aber am Vormittag nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Lehrer ihre Nebenbeschäftigung künftig melden müssen, beim Landesschulrat oder beim Ministerium, und dass man sich das dort anschaut.

Standard: Das ist aber kein Thema, das die Republik beschäftigt.

Rudas: Die Bildungspolitik ist das Wichtigste für einen modernen, leistungsfähigen Staat. Ein entscheidendes Thema für 2010 wird die Frage nach einer leistungsgerechten Gesellschaft sein. Wir müssen Leistung neu definieren, und zwar nicht nur ökonomisch. Der Banker Tilo Berlin war jemand, den die ÖVP vor fünf Jahren noch als den großen Leistungsträger präsentiert hat. Der hat aber meiner Meinung nach keine Leistung gebracht. Im Gegensatz zu den 400.000 Frauen, die neben ihrem Job auch noch pflegen, oder zu Eltern, die ihre Kinder großziehen.

Standard: Was ist denn eine leistungsgerechte Gesellschaft?

Rudas: Eine Gesellschaft, in der Leistung danach beurteilt wird, ob sie einen Mehrwert für die Gesellschaft hat. Und dafür braucht man die richtigen Rahmenbedingungen. Wenn die ÖVP sagt, ganztägige Schulen wird's nicht gratis geben, dann ist das leistungsfeindlich. Die meisten Menschen wollen ja einen Mehrwert für die Gesellschaft erbringen.

Dafür muss man aber auch die Rahmenbedingungen schaffen, wie kostenlose ganztägige Betreuungs- und Schulangebote. Und diejenigen, die keinen Mehrwert für die Gesellschaft beitragen, die etwa mit Luft spekulieren und damit Unternehmen zerstören, die müssen ihren Beitrag halt auf einem finanziellen Weg leisten. Durch eine Spekulationssteuer oder den Wegfall der Spekulationsfrist. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2010)