Josef Ernst Köpplinger, Klagenfurter Chef: "Der Unterschied zwischen Diplomatie und Opportunismus ist löschblattdünn."

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Ljubisa Tosic sprach mit Köpplinger über seine Theaterauffassung und den Umgang mit der Kärntner Politik.

Klagenfurt - Es läuft gut am Klagenfurter Stadttheater. Eine Probebühne zu bekommen, würde die Lage zwar noch verbessern. Aber die Abonnentenzahlen steigen unter Intendant Josef Ernst Köpplinger, die Auslastung ist bei 87 Prozent. Und mit der gebeutelten Hypo Alpe Adria hat man kontomäßig nichts zu tun.

Aber wie wäre es einmal mit etwas Verrücktem; mit etwas, das überregionale Bedeutung garantieren würde? Da gab es doch vor ein paar Jahren im deutschen Meiningen den Ring des Nibelungen an vier aufeinanderfolgenden Tagen - eine logistische Sensation, die auch ein großes Haus in schwere Planungsnöte gestürzt hätte. Wie wär's?

"Ich überlege und diskutiere ja mit unserem Musikdirektor Peter Marschnik, wir basteln an einem Ring. Aber wir sind ein Mehrspartentheater, da muss zunächst die Balance zwischen den Genres stimmen. Es muss auch Sprechtheater angeboten werden und auch Musical. Wir haben drei Opernproduktionen und vier aus dem Schauspiel pro Saison. Oder umgekehrt. Dazwischen soll eine Operette oder ein Musical sein. Und wir holen ja Gastsänger, haben kein Ensemble. Wenn ich den Ring in geballter Form machen würde, hätten wir sonst nichts im Musiktheaterbereich anzubieten. Den Ring kann man also höchstes in zwei Saisonen schaffen, eher aber in drei oder vier."

Die mangelnde Politpräsenz

Zudem: "Klagenfurt hat etwa 93.000 Einwohner und unser Theater 800 Sitzplätze. Auch deshalb muss Vielfalt herrschen, das Theater muss man erst einmal kontinuierlich füllen." Auch die Politik könnte der Auslastung durch Anwesenheit nachhelfen, da wäre noch einiges an Steigerungsmöglichkeiten, meint Köpplinger. Natürlich wünscht er sich mehr Politpräsenz nicht wirklich aus Gründen der Auslastung:

"Es geht prinzipiell um mehr Wahrnehmung. Sie waren nicht beglückt, als ich mehr Anwesenheit von ihnen, den Entscheidungsträgern, verlangt habe. Sie sitzen aber im Theaterausschuss und entscheiden. Also sollen sie auch wissen, worüber. Es ist aber besser geworden." Angesichts der Kärntner Machthaber mit ihren rechtspopulistischen Tendenzen könnte Köpplinger doch froh sein, wenn sein Haus subventioniert wird und er und der Betrieb ansonsten ihre Ruhe hätten? Oder die andere, ungemütlichere Variante: Köpplinger könnte als öffentliche Person heftig an den Verhältnissen Kritik üben und natürlich auch mit seinem Programm provozieren?

"Ich kann bemängeln, was nicht funktioniert. Und die Politik lässt uns noch funktionieren. Und: Sie hat mich persönlich noch nicht provoziert. Unser Programm muss natürlich das Zeitgeschehen reflektieren, das muss aber nicht immer mit brachialen Mitteln sein. Ich will die Leute nicht aus dem Theater prügeln. Aufklärerisches kann einmal auch über eine Komödie stattfinden."

Köpplinger sieht sich somit "eher als Intendant in der Position eines Unparteiischen, der sicher eher links denkt, aber auch für seine Mitarbeiter geradestehen muss. Klar: Der Unterschied zwischen Diplomatie und Opportunismus ist löschblattdünn, und ich hoffe, dass ich nie in den Opportunismus hineinkippe. Übrigens habe ich von keiner Partei in Kärnten große Unterstützung erfahren. Zudem sollte man nicht vergessen, dass mehr als die Hälfte in Kärnten seinerzeit eben nicht das BZÖ gewählt hat." All dies sagend, heiße aber nicht, "dass ich keine Haltung habe, dass ich nicht alles Menschenverachtende abschmettere".

Manches an der künstlerischen Arbeit am Klagenfurter Stadttheater würde auch nicht ausreichend wahrgenommen: "Wir haben hier Joshua Sobols Ghetto gemacht, was ein unangenehmes Sittenbild auch für Kärnten war. Hierzulande wurde das nicht sonderlich bemerkt. Im Ausland schon."

Es bleibt noch Zeit. An Köpplinges Stadttheater ist ab Donnerstag Mussorgskis Boris Godunow (Regie: Andreas Baesler) zu sehen, wo es doch ausgiebig um die Psyche von Mächtigen und um Machtergreifung geht. Mal sehen, wie das szenisch gelöst wird. Ob sich, falls zugegen, die Politik etwa in Form des Landeshauptmanns - wie auch immer - angesprochen fühlt.(DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.1.2010)