Wien - Es gleicht einer nicht risikolosen Implantation, so man eine doch genau gearbeitete Inszenierung mit einer - in zentralen Partien - neuen Besetzung beglückt. Man nennt dies Repertoiresystem und Wiener Opernalltag. Dessen Unkalkulierbarkeiten sind auch bei einer Wiederaufnahme wohl extra spannungssteigernd für Sänger, da sie letztlich doch in eine fertige Werkversion fast hineinspringen müssen.

Im Falle von Jules Massenets Manon, die Regisseur Andrei Serban einst ziemlich elegant für die zur damaligen Premierenphase in jeder Hinsicht wunderbare Anna Netrebko geformt hatte, oblag es Diana Damrau, die flatterhafte Hauptfigur zu beleben und dann auch noch nicht allzu viele Erinnerungen an die Netrebko aufkommen zu lassen.

Und siehe da: Damrau zeigt von Anbeginn an, dass sie diese Rolle gänzlich verinnerlicht hat. Keine Verlegenheit, keine szenischen Durchhänger. Mit prämierenwürdiger Präzision zeichnet sie einen Charakter, in dem schon während der Unschuldsphase ein Hauch von gar nicht naiver Raffinesse brodelt. Ihr wendig-schlanker Sopran kommt in den exaltierten Koloratur-geprägten Passagen am imposantesten zur Geltung. Trotz Damraus glänzender Kontrolle dynamischer Facetten ist sie, was gewisse tiefere Töne anbelangt, mitunter aber an der Unscheinbarkeitsgrenze. Da kann das Orchester so diskret sein, wie es will.

An ihrer Seite ein für seine darstellerischen Verhältnisse sehr flexibler Ramón Vargas (als Chevalier des Grieux). Zwischendurch lässt zwar die Sicherheit seiner Stimme etwas nach. In entscheidenden Momenten bäumt sich Vargas aber zu gewohnt kultivierter Ausgestaltung vokaler Linien auf. Den klangschönsten Eindruck hinterließ indes doch Markus Eiche (Lescaut). Solide der Rest. Dirigent Bertrand de Billy sucht das Extrovertierte der Partitur strahlen zu lassen. Das hat Straffheit und auch Charme. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD/Printausgabe, 11.01.2010)