Wien - Der durch nichts aufzuwiegende Verlust des Autors Gert Jonke im Jänner 2009 wird durch einen einzigen Umstand gemildert: Man muss seine Texte, diese unfassbar präzise mäandernden Umschreibungen von Natur und Gesellschaft, wieder und wieder lesen. Am besten laut!

Petra Morzé und Markus Hering bedurften im Wiener Burg-Vestibül zweier Tische, zweier Anzüge und zweier Manuskripte, um Jonkes Welttheater aufzufalten. Der Hörer der Doppellesung Keine Bosheit hat noch Wirkung sah plötzlich eine Welt vor sich, die im Fluss der Jonke-Prosaausschnitte ihre Tektonik verändert.

Schwarze Männer lauern dann hinter harmlos aussehenden Bäumen, Festveranstaltungen werden zu Übungen einer physikalisch zweifelhaften Verdoppelungswut. Fischgroßhändler, die wahlweise auch als "Großfischhändler" hervortreten, entpuppen sich als die wahren Bundeskanzler. Hierarchien stürzen - Irrtümer werden abgebaut, um Platz für "neue Irrtümer" zu schaffen. Jonke-Texte geben Antworten auf Fragen, die man nie zu stellen wagte. Und sie benötigen den großen Schauspieler Hering, der mit bekümmerter Miene auf Textdrahtseilen tanzt. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 18.01.2010)