Doris Uhlich und der "denormierte" Körper als Thema.

Foto: Saulich

Wien - Dem höllischen Thema Schönheit widmen sich zwei Wiener Choreografinnen: Doris Stelzer in gender jungle - wo/man und Doris Uhlich mit mehr als genug. Stelzers Casting hat nicht viel zu tun mit der Ansicht der Torberg'schen Tante Jolesch, dass alles, was ein Mann schöner sei als ein Aff', ein Luxus wäre. Eher schon mit der Anhimmelung des "perfekten" Body des edlen Vampirs Edward im Megaseller Twilight.

Aus Judith Butlers "Gender Trouble" wird bei Stelzer ein Geschlechterdschungel. Unübersichtlichkeit, der mit Ironie begegnet wird. Zwei Tänzer und Lieve De Pourcq, eine athletische Charakterschönheit, flirten mit Stereotypen der Attraktivität. Sie üben sich in Crossdressing, lassen Muskeln vibrieren, bringen ihre luxuriös hingestellten Leiber in laszive Posen. Stelzer macht sich darüber lustig, wie der Konsumenten-Blick auf Klischees von Schönheit und Geschlechterzuordnung hingetrimmt ist und nimmt gekonnt die Ambivalenz des kommerziell designten Androgynen auf die Schaufel.

Ganz anders Uhlich. Sie konzentriert sich auf den "denormierten" Körper, womit sie den ihren meint. Sie identifiziert sich, wie der Abbildung von Rubens' Gemälde Das Pelzchen im Abendzettel zu entnehmen ist, mit des Meisters zweiter Frau, Hélène Fourment, die auf dem Bild nach barocker Norm verewigt wurde. In der von Umberto Eco herausgegebenen Geschichte der Schönheit ist Fourments Darstellung eine der "reinen Sinnlichkeit" . Nicht als "korpulent" oder "üppig" , wie in Besprechungen ihrer Arbeiten zu lesen ist, will Uhlich also gelten, sondern als - wieder Eco - "Schönheit ohne versteckte Sinngehalte" .

Die Choreografin bringt ihren Körper in einem Moment zur Diskussion, in dem im Pop Sängerinnen wie Beth Ditto und Susan Boyle gegen die Figuren von Madonna und Kylie Minogue antreten. Auf der Bühne greift Uhlich zum Hörer, telefoniert. Sie fragt die Keersmaeker-Tänzerin Tale Dolven, den Musiker Otto Lechner und die Ballerina Susanne Kirnbauer nach ihren Begriffen von Schönheit. Sie tanzt mit der schlanken Virginie Roy-Nigl à la Keersmaeker, stellt sich in High Heels als Livekopie einer "Big Nude" von Helmut Newton auf und zitiert sich mit Filmschauspieler-Gesten aus ihrem Erstlingswerk insert eins/eskapade.

Sie zitiert auch Baudelaires Hymne an die Schönheit, auf Französisch mit österreichischem Akzent, auf Deutsch mit französischem Akzent, in der es heißt: "Gebar dich Nacht und Pfuhl oder die Sonne?" Die Rede von der Schönheit ist das Übersetzungsproblem an sich. Dies hat bereits Georges Didi-Huberman mit seinem Buch Ninfa Moderna in einem Abgesang auf die Schönheit der Nymphe beschrieben. "Den Mord kann unter deinen schönsten Sachen / Verbuhlt auf deinem Bauch man tanzen schaun" , sagt Baudelaire der Schönheit aus Uhlichs Mund. Als Venus im Pelz tritt sie auf, ein "Untier ohne Freud und Leid" (Baudelaire), mit Trotz und Telefon. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 18.01.2010)