Wien - Eine junge Tänzerin verrät drei Regeln für gedeihlichen Oralsex, und es kommt zu einer Zusammenrottung unverdächtig erscheinender Subjekte. Sie rufen: "We need more money, we need the free flow of knowledge, ... no countries,...nocapitalism,... more sex!" Mit Passion nehmen sich zehn angehende Tänzer und Tänzerinnen der Salzburg Experimental Academy of Dance (Sead) und ihr Choreograf Oleg Soulimenko in dem Stück Walking Chakras den Körper vor - als kulturelles und als politisches Konzept.

Jeder Körper trägt seine eigene Geschichte mit sich herum, die sich auf sein Tun auswirkt. Im Wissen darum geben die Tänzer zu, was sie zur Zeit sind: Studenten im Lernprozess. Er hasse Oleg Soulimenko, behauptet etwa einer von ihnen, weil der Choreograf ihm nicht genug Bewegung verschaffe.

Das Publikum erfährt so etwas über die Darsteller und setzt das in Bezug zu dem, was sie mit den sieben Chakren aufführen. Mit dem Sanskrit-Wort Chakra werden Energiezentren bezeichnet. Jedes der sieben Hauptchakren trägt einen eigenen Namen und verweist auf Bewusstseinszustände. Soulimenko hat diesen Chakren jeweils eine eigene Farbe, eine Musik zwischen King Crimson und Nuno Canavarro sowie eine Choreografie zugeordnet.

Die fantasievolle Form transportiert ordentlich Kritik. Denn Walking Chakras entpuppt sich als Spiel mit all dem Halbwissen, das in westlichen Kulturkreisen über fernöstliche Körperphilosophien umhergeistert. Weiters als Ironisierung der esoterischen Atmosphäre und der bigotten Haltung, mit der viele Westler die Praktiken anderer Kulturen für sich nutzbar machen.

Die in sportliches Unschuldsweiß gekleideten Tänzerinnen und Tänzer widmen sich sensiblen Stellen, dem Umgang mit Sex, Politik, Kunst sowie der naiven Heldenverehrung in der Popkultur. So wird etwa das Hinscheiden des Showheiligen Michael Jackson ausgiebig beklagt.

Chakra um Chakra führt Soulimenko so immer tiefer in die Absurdität der billigen Vorstellungen, mit denen wir uns unsere kleinen Welten bauen. Am Ende beginnt der ganze Theaterraum zu tanzen. Aus diesem Delirium führt das letzte, das Scheitelchakra, zu den Sternen. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 23./24.01.2010)