Wien - In dem 2001 uraufgeführten Doppelmonolog "Tanzcafé Treblinka" von Werner Kofler lauert dem Publikum ein Alt-Nazi auf, der seinem Gegenüber (dem Publikum, aber auch einer zweiten im Halbdunkel anwesenden Figur) von "damals" erzählt. Zu eng wäre der Begriff einer Wirtshaussuada, will man diese abgekühlte, aus dem Dunkel kommende und an keine konkrete Person geknüpfte Prosa fassen: Weniger eine Erzählung als ein wilder Cluster an erinnerten Fakten, die die Beteiligung vieler - hier vorwiegend Kärntner - Nazi-Gefolgsleute an der Ermordung zahlloser Juden nachzeichnet.

Diese im Stücktext als A gekennzeichnete Redefigur wird in Frederic Lions Inszenierung im Nestroyhoftheater von einer Frau gesprochen: Erni Mangold läuft im langen grauen Trenchcoat und hinter einem alten Metallschreibtisch mit diesen Sätzen großartig aus dem Ruder. Mit einem Ohr folgt ihre namenlose Figur den Klängen der "Kriegswinterzauberflöte" von einst (Musik: Peter Böhm), ein Begriff, den sie hässlich nachschmeckend wie "Reichskristallnacht" aus sich herausschürft. So hart und laut, bis der Ton bricht.

Mit dem aus dem Schnürboden herunterträufelnden Regenwasser (Raum: Andreas Braito) verschwindet Satz um Satz im Gitterrost des Bühnenbodens. Diese Regenwand fungiert zugleich als diffuse Projektionsfläche für historisches Fotomaterial, hat also eher kunstgewerblichen Effekt. Immerhin: Der Regen frisiert dem unter ihm zu stehen kommenden zweiten, jüngeren Sprecher (B), dem unbelehrbaren Nachgeborenen (Hanno Koffler), eine streng gescheitelte HJ-Frisur.

Mangold prescht in die gewaltsamsten Beschreibungen (z.B. einer übergehenden Leichengrube) mit argem, abgründigem Lachen, und unterbindet damit jede falsche Betroffenheitsgeste beim Publikum - ohne die Fakten freilich ihrer Kenntlichkeit zu berauben.

Dies gelingt der Inszenierung nicht durchgehend. Vor allem der zweite Teil, der im Stakkato antwortende Monologpart des jungen Mannes von heute (mit Beachvolleyball Wörthersee-affin), führt geradewegs in eine Starre, in der Mitfühlen und Mitdenken nicht mehr vorgesehen sind. (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.1.2010)