Joachim Gradwohl vom luxuriös entspannten Meinl-Restaurant hat im Guide Gault Millau einen Punkt eingebüßt und hält bei nunmehr 17 Punkten. Das reicht gerade noch für drei Hauben und war mit ein Grund dafür, dass berufsmäßige Raunzer den Status der Hauptstadt als Metropole, in der auch ordentlich getafelt werden kann, bereits gefährdet sahen. Im Guide wird Gradwohl vorgeworfen, sich zu einem "Koch-Konservativen" zu entwickeln, der allzu "brave" Gerichte wie Lammschulter mit Frischkäse-Erdäpfeln und Fisolen auf der Karte habe, die einem Meister seiner Statur nicht gerecht würden.

Ob es an der Kritik liegt oder nicht - zurzeit liest sich die Meinl-Karte alles andere als hausbacken. Da wird Hummer mit süßsauren Karfiol-Pickles und Rosinen kombiniert (schmeckt auf unaufgeregt exotische Weise sehr gut - etwas mehr Hummer dürfte es um 29 Euro freilich sein). Der Rothirsch darf sich mit Kohlrabi, Mais und frischer Kokosnuss anfreunden (ja!) und eine fantastisch meeresduftige Dorade die Spannkraft der Kombination aus Zitronenconfit, Karfiol, Pak Choi und Quinoa ausloten. Die ist erheblich, speziell die zart salzige Bitternis der Zitrone schmiegt sich höchst angenehm an den Jodton des Fisches. Hingehen, vorher Sparstrumpf entern! (corti/Der Standard/Printausgabe 30.01.2010)