Wien - Mit Sichtbare Lieder eröffnete Rose Breuss das neu begründete und von ihr kuratierte Tanzfestival Hoch Hinaus im Wiener Odeon. Zur Choreografie von Breuss bewegen sich acht junge Tänzer, allesamt Absolventen des Linzer Bruckner-Konservatoriums, zu, über und mit ausgewählten Gedichten Paul Éluards. Sie werden dabei von der jazzigen Trompetenmusik Franz Hautzingers und einem Bläserensemble begleitet, getragen, manchmal aber auch einfach mit blechernem Atem untersetzt.

Entlang diagonaler Linien, mittels spiraliger Formen, vom Boden aufstrebend den Raum durchmessend und in ziemlich kühlen Duetten und Gruppenformationen geht die Truppe an ihre Texte heran und auch wieder ganz weit weg davon. Der Name der Compagnie - Off Verticality - ist bewegungstechnisches Programm.

Die Gedichte Éluards werden von den Tänzern in ihrer Muttersprache oder Deutsch gesprochen, sie stehen dazu oder lassen sich in den Ecken des Raumes nieder. Um nicht in der riesigen Säulenhalle des Odeons zu verschwinden, werden sie im Sprechen zusätzlich an die Rückwand projiziert. Streng genommen herrscht unter den anderen Tänzern, während einer von ihnen spricht, fast immer körperliches Schweigen. Auch bewältigt jeder alleine seinen Text. Nur einmal wetteifern Dante Murillo und Armandine Petit mit ihren Texten über die Ekstasen der Liebe und des Weins.

Besonders auffällig an Breuss' Choreografie sind, abgesehen von der Wahl der Texte des surrealistischen Dichters und der Blechblasmusik, die Weichheit der Bewegungen und dabei ein fast distanzierter Umgang der Tänzer miteinander. So entsteht eher der Eindruck, dass Strukturen sichtbar werden, als dass ein leidenschaftliches Eingehen auf die Texte zelebriert würde: Zu zart wirken die Bande. Petr Ochvat, der schon letzten Winter als Mensch im Wahn im Odeon überzeugte, kann aus den schüchternen, abwartenden, mitunter ungelenken Gesten besonders viel herausholen.

Noch bis zum 6. Februar beleuchtet das Festival die Beziehungen zwischen Tanz und Narration. Über Stanislaw Lems Solaris wird tänzerisch nachgedacht (6. 2.), in einer Lecture Demonstration werden die Briefe über Tanz (1760) von Jean George Noverre nicht nur gesprochen, sondern auch von einem Tänzer der Staatsoper illustriert (5. 2.). Lina Maria Venegas wagt sich mit einer von Abschiebung bedrohten Mannschaft von Asylbewerbern aus Traiskirchen an ein Auswärtsspiel, Bernd Bienert lässt Schriftzeichnen (4. und 6. 2.), Anna Nowak zeigt Mindblankness (6. 2.), als Gastspiel ist Rui Hortas Ordinary Events (5. und 6. 2.) zu sehen. (Bettina Hagen/DER STANDARD, Printausgabe, 1. 2. 2010)