Unterrichtsministerin Schmied will "die Schule öffnen".

Foto: Standard/Matthias Cremer

Standard: Was wollen Sie nach dieser Klausur in der Hand haben für Ihre Schulreform?

Schmied: Ich möchte ein klares „Yes we can, yes we do". Mir geht es darum, dass wir bei den anstehenden großen Projekten - neue Lehrerbildung, ganztägige Schulformen - zum Wir finden und sie als unsere großen gemeinsamen regierungspolitischen Anliegen sehen.

Standard: Wie sieht das Ziel für die Ganztagsschule aus?

Schmied: Mein Ziel ist es, dem Wunsch der Eltern zu entsprechen. Das, was wir aus der Ifes-Elternumfrage herauslesen, ist, dass der Bedarf bei etwa 350.000 ganztägigen Angeboten liegt. Diesen Bedarf müssen wir jetzt mit den Schulerhaltern (Städten, Gemeinden, Ländern) konkretisieren: welche Standorte, in welchem Ausmaß? Mein Zukunftsbild für die nächsten fünf bis zehn Jahre ist, dass wir dann in einem Stufenplan das Angebot von den 90.000 Plätzen, die wir derzeit haben - mit Hortplätzen sind es 120.000 - signifikant erhöht haben, sodass im Endeffekt jede zweite Schule ganztägige Angebote mit im Programm hat.

Standard: „Ganztags" heißt in Ihrer Zukunftsvision in der Stadt etwas anderes als auf dem Land.

Schmied: Wir werden da in Zukunft noch viel mehr differenzieren. Auf dem Land ist die Infrastruktur oft schon viel komfortabler. Sportverein, Kulturinitiative, Musikgruppe sind alle im Ort sehr dicht beisammen. Da kann man die Infrastruktur auch ausweiten, ohne sofort in den Schulausbau zu gehen. Auf dem Land merken wir ganz unterschiedliche Wünsche der Eltern. Sie wollen keine so starren Zeiten, jeden Tag bis 17 Uhr, da wollen die Eltern mehr Flexibilität, was das Abholen betrifft. Während wir im städtischen Bereich - ganz Wien ist ein Schulsprengel - ohnedies die Wahlmöglichkeit haben. Eltern sollen in Zukunft frei sein, die Kinder beim herkömmlichen Angebot anzumelden oder in der Ganztagsschule.

Standard: Heißt Ganztagsschule im Endeffekt dann auch offiziell „Ganztagsjob" für Lehrer?

Schmied: Nein. Das ist nicht unmittelbar verknüpft, weil es von der Arbeitsbelastung her unvorstellbar wäre, dass Lehrer en bloc sieben oder acht Stunden mit den Kindern verbringen. Das geht nicht. Es braucht ja die Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit. Wir werden sicher mehr Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen. Ich möchte die Schule öffnen, Stichwort "inklusive Schule", das heißt, in der Schule sollen auch andere Berufsgruppen mit entsprechender, auch berufsbegleitend erworbener pädagogischer Ausbildung tätig sein. Ich denke da als Kulturministerin an Kunstschaffende, für die es attraktiv wäre, auf diese Weise zu einem zusätzlichen Einkommen zu gelangen. Ich bin auch im Gespräch mit Minister Norbert Darabos, wie wir die ausgebildeten Sportwarte und Trainer integrieren können.

Standard: Wenn die Kinder den ganzen Tag in der Schule sein sollen, muss die Schule auch anders aussehen.

Schmied: Das braucht natürlich bauliche Maßnahmen, Räume zum Essen, Ruheräume für die Kinder, Arbeitsräume. Das wird vor allem im innerstädtischen Bereich eine große Herausforderung, weil wir natürlich nicht überall die ideale Campus-Schule errichten können.

Standard: Ein Zitat: "Ich gehöre jedenfalls zu jenen, die nicht aufhören werden, die Einrichtung von Ganztagsschulen, und zwar in Form der Integrierten Gesamtschule, zu fordern, denn erst die Zusammenführung dieser beiden Schulformen ermöglicht optimal, allen Kindern in der Schulbildung die gleichen Chancen einzuräumen." Zu wem passt das?

Schmied: Das gefällt mir sehr gut, und es ist von Johanna Dohnal, Anfang der 1970er-Jahre.

Standard: Es stammt aus einer Rede im Wiener Gemeinderat von 1974. 36 Jahre, und noch immer hinkt die Schule hinter dem Leben mit Kindern hinterher.

Schmied: Ja, es ist sehr lang, darum sage ich jetzt auch immer wieder: Die Zeit des Handelns ist gekommen, wir brauchen keine weiteren Studien, wir brauchen keine Expertenkommissionen, wir brauchen Umsetzungspläne und vor allem das klare Ja des Handelns und den Willen, es zu tun.

Standard: Welche Bedeutung hatte Johanna Dohnal für Sie?

Schmied: Ich habe Johanna Dohnal früher aus der Ferne schon sehr geschätzt und bewundert, auch ihr resolutes Auftreten hat mir immer sehr imponiert. In den letzten drei Jahren war sie auch eine sehr persönliche Begleiterin von mir und hat mich oft in schwierigen Phasen per SMS ermutigt, nicht aufzugeben - sie wird mir sehr fehlen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD-Printausgabe, 2.3.2010)