Nicht nur fast barockes Sushi: Heilbuttleber auf dem Tokioter Fischmarkt, also Sushi Dai

Foto: Schmücking

Mahata Glück, wenn man diesen Barsch findet, und überhaupt, seine Leber: Mahata modoki, irgendwo zwischen Tofu und Anis

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Aale Achtung: Leber vom Langfisch in aalen erdenklichen Texturen

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Leber vom Anko: In Kenntnis von Christian Ankowitschs Spitznamen müssen wir diesen Bildtext von Jürgen Schmücking etwas einordnen. Es handelt sich hier um Leber eines Tiefseefisches.

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Zu diesem Aal empfiehlt der Weinmarketer einen Riesling 2007 Schwefelfrei von Fritz Salomon, Gut Oberstockstall, praktisch ein unbezahltes Product Placement im Tausch für den Text. *

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Eigentlich Tierquälerei, just die Nase des Lachses an seine ein Jahr marinierte Leber zu legen: Soma-Ryu

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Zugegeben, ich war skeptisch. Sehr sogar. Der Geschmack von Dorschleber, in billigem Öl eingelegt und in Dosen verpackt, hat sich irgendwo in meinem sensorischen Gedächtnis seinen Platz gesucht und ist von dort nicht mehr wegzukriegen. So gesehen war meine Vorfreude auf Leber von den Fischen enden wollend. Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass die Japaner einen sehr ausgeprägten und gesunden Sinn für feine Akkorde haben und die Hechtleberpralinen von Max Stiegl sind eigentlich auch nicht grade von schlechten Eltern. Also - ran an die Lebern!

Tag 1, 05.00 Uhr Sushi Dai - für viele das Mekka von Planet Sushi: eine winzige Sushi-Bar, die zwischen dem großen, gewerblichen Tsukiji Fischmarkt und dem Endverbrauchermarkt liegt. Geöffnet wird um 5 Uhr morgens, wer um Viertel nach 5 kommt, steht bereits eine halbe Stunde in der Schlange vorm Lokal. 

Die Leber schaltet auf den fünften Gang

Die Nigiri sind ultrafrisch und bekommen neben Klassikern häufig auch weniger häufig verwendete Beläge, wie Ayu, Tai oder Awabi. Aber darum geht es hier nicht. Gang 5 ist Nigiri-Sushi mit Heilbuttleber. Das Arrangement sieht eigenwillig aus. Der Belag hat ungefähr die gleiche Höhe, wie die Reisbasis. Einige Tropfen Sojasauce, als Topping ein paar frische Blätter Seetang.

Zwischen Hirn und Bries

Die Leber sieht aus wie eine Mittelding aus Hirn und Bries, schmeckt solo gekostet extrem intensiv und kräftig, sprich richtig fett. Kurioserweise ist das Filet des Heilbutts deswegen so begehrt, weil es als nahezu fettfrei gilt. Abgebaut wird das Fett hauptsächlich über die Leber. Deshalb ist Heilbuttleber auch Hauptlieferant für Lebertran. Schade eigentlich. 

Barockes Sushi

Das unscheinbare graue Ding hätte das Potential zur kulinarischen Sensation. Überhaupt in dieser Zusammenstellung: ein fast barockes Sushi bei dem sich die cremige Textur der Leber auf überraschende Weise mit dem Reis verbindet. Der Seetang trägt mit einer zarten Prise Meeresfrische zum kleinen Gesamtkunstwerk bei.

Tag 1, 10.00 Uhr Messegelände Makuhari, am Stand einer Fischergemeinschaft aus der Präfektur Ishikawa: Manchmal hat man einfach Glück: Mahata - genauer gesagt Mahata modoki, ein kleiner, extrem seltener Barsch, der für seine Feinheit bekannt ist und als Delikatesse gilt. Leider nur zum Anschauen. 

Mahata Glück

Aber hinten, dort wo die Fischer ihre Messer abgelegt haben, entdecke ich eine kleine Schüssel mit ... ist das etwa ... ? JA! Frische Mahata-Leber, roh und unbehandelt. Nichts was vom Eigengeschmack des Organs ablenkt. Kühl, winterweiss, die Textur erinnert an stichfestes Joghurt, der Geschmack aber ist einzigartig und erinnert an eine Mischung aus Tofu und Anis mit einer Andeutung von Sesam. Eine feine, filigrane Delikatesse. So macht Fischleber unglaublich Spass.

Tag 1, 19.00 Uhr Irokawa, Stadtteil Asakusa. Das Irokawa ist ein günstiges Unagi-Restaurant, in dem man bereits um umgerechnet knapp 20,- ein sehr ordentliches Aal-Menü haben kann. 

Aale Achtung: Eine Leber überrascht

Überrascht hat aber auch hier die Leber. Sie entspricht im Erscheinungsbild ganz der Anatomie des Aals und ist dementsprechend schmal und lang. Zubereitet wurde sie im Teriyaki-Stil, also in einer speziellen Sauce mariniert und gegrillt. Diese Tinktur basiert auf Soja, je nach Rezept, kommen aber auch Ingwer, Sake und Mirin (so was wie eine Sake Auslese) dazu. Während des Grillens wird die Sauce immer wieder aufs Grillgut gepinselt und sorgt so für den typischen Teryaki-Geschmack.

Unagi wird typischerweise so zubereitet, also liegt es recht nahe, es bei der Leber gleich zu tun. Das Ergebnis ist erstaunlich. Der kleine Spieß lebt fast ausschließlich von unterschiedlichen Konsistenzen. Die Aal-Leber scheint bei weitem nicht so uniform strukturiert zu sein, wie wir das von foie gras kennen. Butterweich und zart schmelzend folgt unmittelbar auf kross und knusprig und dazwischen finden wir alles, was es an konsistentiellen Abstufungen eben gibt. 

Product Placement, ungeschwefelt*

Die Konstante bei diesem Gericht ist der solide und typische Teryaki-Grundton. Eben der ist es auch, der unserem mitgebrachten Wein* eine würdige Bühne bietet: Riesling 2007 Schwefelfrei von Fritz Salomon, Gut Oberstockstall. Mit seiner beginnenden Reife, den zart oxidativen Noten nach reifer Marille und trockenem Sherry gleichermaßen, ist der Wein kein Gaumenschmeichler. Ein solcher hätte bei der Aal-Leber aber ohnehin keine Chance.

Tag 2, 19.00 Uhr Wamon, Roppongi: das Wamon ist ein kleines Counter-Lokal, das jedem Slow Food-Freund nur wärmstens empfohlen werden kann. Frisch, saisonal und authentisch. Gemüse und Standard-Zutaten zum großen Teil biologisch, der Rest aus Wildfang oder Wildsammlung. Karte gibt es keine, zubereitet wird, was der Markt hergibt.

Die Menüfolge im Wamon ist klassisch. Sashimi fürs Auge, der zweite Vorspeisengang meistens eine gelungene Mischung aus kalt (diesmal Uni, Barracuda und Toro) und warm (Abalone). Unmittelbar vor dem Hauptgang (Reis) gibt es in der Regel irgend etwas Außergewöhnliches.

Eine Leber sieht Orange

Diesmal waren es frische gedämpfte Seetangblätter, gefüllt mit Leber vom Anko. Der Anko ist ein Tiefseefisch, sieht am ehesten aus wie Seeteufel und schmeckt auch gar nicht unähnlich. Die rohe Leber strahlt intensiv in dunklem Orange, umhüllt und durchzogen von gelblichen Fettstreifen. Was den Geschmack (und die Textur) betrifft, kommt die Anko-Leber an die besten Qualitäten von foie gras heran. Streichelweich legt sich eine cremige Schicht über Zunge und Gaumen und die salzig-kühlen Aromen sind so nachhaltig anhaltend, dass es eine Freude ist.

Tag 3, 21.00 Uhr Soma-Ryu, Ginza: In Ginza gut essen ist keine Kunst. An wenigen Orten der Welt gibt es eine derart konzentrierte Anhäufung an Guide Michelin-Sternen, wie in Ginza und den angrenzenden Bezirken. Auch an originellen, schrägen oder angesagten Lokalen mangelt es nicht, sprich: die Auswahl ist unüberschaubar. 

Ich lachs mir einen Ast

Das Soma-Ryu gefunden zu haben, ist ein echter Glückstreffer - danke Noriko. An Originalität ist das Kellerlokal kaum zu überbieten. Uraltes Interieur, am Ende der Bar steht eine riesige Ansammlung von Shochu-Flaschen, die den Stammgästen gehören. Der Sake wird in frisch geschlagenen Bambus-Ästen ausgeschenkt und die Spezialität des Hauses sind Lachsinnereien. Im Frühjahr gibt es Shirako (siehe Fugu-Beitrag "Kugelfisch zur zehnten Potenz" - allerdings unterscheiden sich die Hoden vom Lachs nicht so stark vom Lachs selber, wie die Fugu-Gonaden sich vom Kugelfisch unterscheiden). 

Die Nase an der tiefschwarzen Leber

Das Vorspeisen-Arrangement ist glücklicherweise seit Jahren gleich: eingelegte Scheiben von der Lachsnase und marinierte Lachsleber. Die ist allerdings alles andere als frisch. Zum Teil über ein Jahr liegt das Organ in einer Marinade aus Sojasauce, Sake und Ingwer. Sie nimmt dadurch eine tiefschwarze Farbe an und schmeckt wie süss-saurer Tofu mit Sesam.

Alles in allem waren die Fischlebern ein Erlebnis, das der negativen Erfahrung aus der späten Kindheit (die Dosendorschleber) ein gewaltiges Argument entgegensetzt.