Pflichtpraktikum, Volontariat, Ferialpraktikum - alles dasselbe? Die Begriffsverwirrung öffnet den prekären Arbeitsverhältnissen Tür und Tor.

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Das Zeitalter der Superpraktikantinnen und Superpraktikanten ist noch nicht angebrochen. Auch wenn die ÖVP der Meinung war, dass Reez Wollner Österreichs Superpraktikantin ist, tatsächlich war sie es nicht. "Wenn man es näher definiert, war das eine Volontariatsstelle, da sie unbezahlt war", gibt Jochen Pack, ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Bereichssprecher für Berufsausbildung, zu. "Natürlich kann man darüber diskutieren, ob das bezahlt hätte werden sollen. Josef Pröll hat sich in diesem Fall aber keiner Arbeitskraft bedient, sondern einem jungen Menschen angeboten, den Job in der Politik näher kennenzulernen."

Im Sprachgebrauch wird meistens kein Unterschied zwischen Pflicht-Praktikum, Ferialjob oder Volontariat gemacht - gemeinhin wird nur vom "Praktikum" gesprochen. "Ich ertappe mich ja auch selbst immer wieder", sagt Jochen Pack. Tatsächlich liegt hier auch schon eine Wurzel des Problems der "Generation Praktikum". Jobangebote werden beispielsweise oft als Praktika deklariert und bezahlt, obwohl sie einem normalen Arbeitsverhältnis entsprechen würden. Jugendliche wissen nur wenig über ihre Rechte Bescheid.

Superpraktikant: "Weder Ausbildung noch Arbeit"

"Die jetzt schon schwierige Abgrenzung, was ist tatsächlich ein Praktikum und was nicht, hat die Aktion der Superpraktikantin noch zusätzlich verwischt. Das war weder Ausbildung noch Arbeit", beurteilt Anna Schopf, Gründerin der Plattform "Generation Praktikum", die mediale Kampagne der ÖVP. ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl, ist hingegen anderer Meinung: "Ich kann aus vollem Herzen sagen, dieses Praktikum hat einen Bildungsinhalt gehabt. Ein junger Mensch hatte die Chance das politische System besser kennenzulernen. Es war außerdem nicht völlig unentgeltlich, weil es eine Woche Urlaub gegeben hat."

In der Öffentlichkeit werden vor allem die prekären Arbeitsbedingungen in der Medienbranche wahrgenommen - nicht ohne Grund. "Die Tatsache, dass über die Generation Praktikum mehr oder weniger regelmäßig berichtet wird, hängt damit zusammen, dass im Medienbereich sehr viele PraktikantInnen zugegen sind, die die Problematik aufgreifen. Dadurch ist es auch ein Stück weit abgesichert, dass dieses Thema nie verstummen wird", so Anna Schopf von der Generation Praktikum. Dieser Systemeffekt bedingt aber auch, dass andere Problemherde - etwa Kunst oder Soziales, wo junge Menschen mit ebenso schlecht-bezahlten Praktika zu kämpfen haben, eher ausgeblendet bleiben.

Regierungsprogramm sieht statistische Erhebungen vor

Die Gruppe der "Praktikanten" selbst ist sehr heterogen - vom Schüler, über den Studienanfänger bis hin zum fertigen Akademiker werden oft ein- und dieselben Tätigkeiten und Jobs gemacht. "Sie geben sich die Türklinke in die Hand, benötigen aber etwas völlig Unterschiedliches. Deswegen braucht es auch die unterschiedlichsten Konzepte, um diese Problematik zu behandeln", sagt Schopf. Pflichtpraktikanten bräuchten etwa eine bessere Betreuung und Begleitung,  Absolventen hingegen Berufseinstiegsprogramme.

Die Plattform "Generation Praktikum" versucht nunmehr schon seit vier Jahren Lobbying für diese Gruppe zu betreiben und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mit mäßigem Erfolg, ist man doch in weiten Teilen auf die Politik angewiesen. "Im Vergleich zum letzten Jahr sehe ich wenig thematischen Fortschritt. Das einzige neue ist eine Aktion vom Sozialministerium, die sich "+6.000" nennt und junge ausgebildete Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt unterstützen soll." Vom Gesetzgeber gibt es nach wie vor keine einheitlichen festgelegten Qualitätsstandards, wie etwa von den Grünen regelmäßig gefordert. "Von den beiden Regierungsparteien habe ich noch nicht viel über die Thematik gehört", kritisiert Anna Schopf. Im derzeitigen Regierungsprogramm gibt es jedoch sehr wohl Passagen, die auch die Situation der "Generation Praktikum" direkt betreffen. Eine Erhebung des Ist-Zustandes wird versprochen und der Informationsfluss über Praktika soll generell verstärkt werden.

ÖVP will keine Mindestentlohnung

Von Seiten der ÖVP bestätigt man, dass Informationsoffensiven gegenüber gesetzlichen Rahmenbedingungen der Vorzug gegeben wird. "Es gibt hier kein gesetzliches Defizit sondern ein Informationsdefizit, nämlich, dass zwischen den verschiedenen Praktikumsformen nicht unterschieden wird", betont Pack: "Die Rechte und Pflichten sind eindeutig geregelt. Dass es in der Praxis immer wieder zu Verwechslungen der Arbeitsverhältnisse kommt, ist eine andere Geschichte." Dem pflichtet auch Mandl vom ÖAAB bei: "Wir stellen uns massiv gegen den Missbrauch, wenn normale Arbeitsverhältnisse als Praktika getarnt werden, übrigens nicht nur am Tag des Praktikums, so wie die Grünen, sondern 365 Tage im Jahr." 

Ein gesetzlich festgelegtes Mindestentgelt für alle Praktika will die ÖVP nicht. "Es gibt gewisse Schultypen mit Pflichtpraktika, die als Hineinschnuppern gedacht sind und nicht bezahlt werden" Pack glaubt, dass viele Unternehmen, sobald es einen gesetzlichen Mindestlohn für Praktika gibt, auch keine Plätze mehr anbieten und Schülerinnen und Schüler dadurch in die Bredouille geraten. "Man darf aber natürlich auch nicht beschönigen, dass Volontariate, die unbezahlt bleiben, oft durchwegs problematische Ausmaße annehmen", argumentiert Pack.

Arbeitsinspektorat bei Missbrauch zuständig

Wer der Meinung ist, dass die arbeitsrechtlichen Mindeststandards bei einem Praktikum nicht eingehalten werden, kann beim Arbeitsinspektorat Beschwerde einreichen. "Ich kann nur jeden bitten, der den Verdacht hat, dass hier ein Missbrauch stattfindet, das Arbeitsinspektorat zu informieren", plädiert Mandl. Der Arbeitgeber muss dann nämlich beweisen, dass er ein "echtes Praktikum" mit Bildungsinhalten anbietet. Für den Sommer ist vom ÖAAB außerdem eine Informationskampagne geplant, "die jungen Menschen zeigen soll, dass sie sich nicht über den Tisch ziehen lassen sollen". (Teresa Eder/derStandard.at, 01.04.2010)