Bei den linksextremen Delikten gibt es ein Problem bei der Zuordnung - es dürfte doch eher mehr Vorfälle gebe als von der Statistik ausgewiesen, so Ridling.

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Wien - Der neue Verfassungsschutzbericht wurde veröffentlicht, "alle Jahre wieder", wie der Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Peter Gridling, in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Innenministerin Maria Fekter sagte.

Eine "gewaltige Zunahme" gebe es, laut Fekter, bei linksextremistischen Delikten. Hier stieg die Zahl der Anzeigen im Jahresvergleich von 64 auf 90. Diese Entwicklung ist allerdings fast ausschließlich auf vermehrte Schmieraktionen zurückzuführen. Dennoch glaubt Gridling, dass es bei den linksextremen Delikten ein Problem bei der Zuordnung gibt und es in Wahrheit in diesem Bereich doch eher mehr Vorfälle gebe als von der Statistik ausgewiesen.

Rechtsextreme tarnen sich besser

Was den Rechtsextremismus angeht sei die Lage stabil. Die Anzeigen in diesem Bereich gingen von 835 vor zwei Jahren auf 791 im Jahr 2009 zurück. Allerdings stiegen die Anzeigen nach dem Verbotsgesetz (von 360 auf 396), was Innenministerin Maria Fekter und Gridling vor allem auf eine höhere Sensibilität der Bevölkerung in diesem Bereich zurückführten. Bedenklich ist für die Verfassungsschützer, dass sich die Rechtsextremisten heute besser tarnen als früher, wo Glatzen und Bomberjacken deutliche Signale nach außen waren. Zudem gelingt es einzelnen Gruppen, sich vor allem mit deutschen Gesinnungsfreunden zu vernetzen.

Mit Besorgnis betrachtet der Verfassungsschutz, dass es auf beiden Seiten zunehmende Bereitschaft gibt, Auseinandersetzungen gewaltbereit zu bestreiten. Provokationen gebe es vor allem von der linken Seite schon seit längerem, so Gridling. Nun orte man bei Rechtsextremisten steigendes Interesse, die Konflikte tätlich auszutragen.

Trend zum Terrorcamp

In Österreich gibt es außerdem einen Trend zur Reise ins Terrorcamp: Das Interesse an der Teilnahme an Terrorcamps in Afghanistan und Pakistan steige deutlich an.  Im heurigen Jahr wurden bereits genauso viele Ausreisen in islamistische Trainingslager für Extremisten verzeichnet wie in den vergangenen vier Jahren zusammen.

Gridling wollte aus ermittlungstaktischen Gründen keine genauen Zahlen nennen, einige Dutzend würden es aber schon sein, die sich zu Terroristen ausbilden lassen wollten. Die meisten dieser potenziellen Terroristen sind zwischen 19 und 25. Jugendliche aus muslimischen Familien seien hier ebenso zu finden wie Konvertiten.

Radikale Tierschützer "kein Faktor"

Praktisch kein Faktor im heurigen Verfassungsschutzbericht sind radikale Tierschützer. Gerade einmal drei Anzeigen wurden im Vorjahr verzeichnet. 2008 waren es noch 36. Zurückzuführen ist dies laut Fekter darauf, dass die Anführer der radikalen Gruppen in U-Haft gesessen seien bzw. Gerichtsverfahren gegen sie (nach dem "Mafia-Paragrafen") durchgeführt worden seien.

Was den Islamismus angeht, betonte die Innenministerin, dass die direkte Bedrohung in Österreich "nicht so groß" sei. Gridling ergänzte, dass der radikale Islam hierzulande kein Massenphänomen sei. Es gebe eine nur knapp dreistellige Gruppe, die als radikal anzusehen sei. Trotzdem seien Radikalisierung und Rekrutierung auch in Österreich ein Problem. Schwierigkeiten bereiteten vor allem kleinere Gruppen, die nicht mit Al-Kaida-Zellen kooperierten und daher schwerer zu erkennen seien. (APA/red, derStandard.at, 26.4.2010)