"Boatpeople" , Teil zwei: Lisa D. und Johannes Schrettle entsorgen ihr Label mittels "Rücknähaktion".

Foto: Bieringer

Graz - "Ich schwebe durch den Raum wie ein Parfum, das nach bengalischem Schiff riecht" , sagt eine der Frauen des Pathos Transport Theaters München, während sie ihr aus Babybodys von der Stange zusammengestückeltes Designeroutfit über den Laufsteg trägt. Wenn ein treffsicher mit Sprache werkender Dramatiker, wie Johannes Schrettle, auf eine Modedesignerin mit sozialem Gewissen, wie Lisa D., trifft, kommt am Ende eine ganz besondere Produktion heraus. Davon konnte man sich vor drei Jahren im Kasino am Schwarzenbergplatz beim ersten Teil der Boatpeople überzeugen.

Das damals gegründete Label, für das Lisa D. Kinderbekleidung in Designerkleidung für Erwachsene umnähen ließ, um auf untragbare Arbeitsbedingungen von Näherinnen weltweit hinzuweisen, ist der Firmengründerin "über den Kopf gewachsen" . Deswegen beauftragt sie 2010 ihre Models/Schauspielerinnen/ Erzählerinnen mit der Löschung des Labels.

Mit einer "Rücknähaktion", für die die Schauspielerinnen tatsächlich in Fabriken nach Litauen fuhren, um die Kleider dort auftrennen und rücknähen zu lassen, geht eine "Umwertung" des Namens und Löschung aller DVDs und Internetseiten einher. Boatpeople heißt es nunmehr auf der Leinwand, wo auch Filme über die Litauen-Reisen gezeigt werden.

Grenzen zwischen Realität und Theater verschwinden ebenso in Schwaden von Trockennebel wie das Individuum hinter der Massenproduktion oder ein einzelnes Babyjäckchen im ausladenden Brautkleid von Lisa D. Die österreichische Erstaufführung fand am Freitag im Designmonat Graz statt und beleuchtet böse und witzig die dunklen Ecken der Textilindustrie. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD/Printausgabe, 08./09.05.2010)