Theatralische Hommage an das Pink-Floyd-Album-Cover von "Wish you were here" im nächtlichen Kremser Hügelland.

Foto: Helmut Lackinger

...und in die jüngere europäische Vergangenheit.

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Krems - Auch bei einer Zeitreise kann physische Fortbewegung dienlich sein. Von hier nach dort, am Weg vom Kremser Stadtpark bis zum Kraftwerk Theiß, legt man beim Gastspiel der Schweizer Performer 400asa im Bus gleich zwanzig Jahre zurück. Wenn man Pink-Floyd-Fan ist, kommt einem die Zeit garantiert kürzer vor. Unter standesgemäßer Führung von Ted Gaier (Mitglied der Punkband Die Goldenen Zitronen) geht die Reise zum sagenumwobenenen The Wall-Konzert der britischen Rockband Pink Floyd in Berlin anno 1990. Mit wenigen Worten beflügelt Gaier die Imaginationskraft der Businsassen: "Auf, auf, durch die nächtliche psychedelische Vorhölle der Provinz!" . Und je mehr ebensolche Klänge das Radio dabei freigibt, umso diffuser wird der mit rötlichen Schlieren verhangene Himmel: eine Theaterausfahrt mit Suggestivkraft.

Es liegt nicht an den mit dieser Band zwingend in Verbindung stehenden "Joints" , dass auf der Überlandpartie auch einiges unübersichtlich bleibt. Die mitreisenden historischen Protagonisten revitalisieren politische Zeitgeschichte aus dem Geist der Popkultur, und das lässt die hergestellten Zusammenhänge durchaus wirr erscheinen.

Oder auch recht banal: Etwa wenn im stroboskophaft erleuchteten Autohaus Birngruber eine hormonell überständige PR-Lady Pink Floyd aufgrund eines angeblichen VW-Sponsorships des Hochverrats an den Hippie-Idealen anklagt.

An anderer Stelle fantasiert ein im Jugoslawienkrieg (nach 1990) abgebauter Soldat von Radovan Karadžić und eröffnet damit eine neue Zeitebene. Die politischen Visionen, die sich an ein gesellschaftskritisches Lied (The Wall), an eine niedergerissene Mauer (Berlin) oder an eine kapitalistische Hoffnung (Kremser Shoppingmalls leuchten den Weg in die Zukunft) geknüpft haben, erleiden sukzessive Schaden. Ablesbar wird dies an einer der letzten Stationen dieser mit Der Sumpf. Europa Stunde null betitelten Produktion. Man hat es schon geahnt: Die alt gewordenen Floydianer (mit veränderten Stimmen) sind zur angepassten Bourgeoisie geworden.

An verschiedenen Stellen bohrt 400asa in die (meist deutsche) Geschichte. Das darf - wie Pink Floyd selbst - nur nicht sachlich ernst genommen werden. Der Sumpf ist eine sich selbst als verschwörerisch dekuvrierende politische Erzählung - ohne Diskurs. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 08./09.05.2010)