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Diese ersten Bakterien mit vollständig künstlichem Erbgut stellen auch die Frage neu, was überhaupt Leben ist.

Foto: APA/EPA/J. CRAIG VENTER INSTITUTE

Washington/Rom/Wien - Es kam, wie es kommen musste. Kaum hatte Craig Venter mit seinem Forscherteam die lange angekündigte Erzeugung einer Zelle mit komplett künstlichem Erbgut in der US-Wissenschaftszeitschrift Science gestern veröffentlicht, gingen die Diskussionen um die Bedeutung dieses Durchbruchs, seine möglichen Risiken und ethischen Implikationen schon los.

Um noch einmal bei den technischen Fakten zu beginnen: Den Forschern an Venters Institut Synthetic Genomics war es zum einen erstmals gelungen, ein immerhin über eine Million Basenpaare langes Bakterien-Genom künstlich zu erschaffen. Zum anderen brachten sie diese genetische Software auch dazu, in einem anderen Bakterium das Kommando über die Zelle zu übernehmen und sie zu steuern - die zweite Pionierleistung von Venters Forschergruppe.

Ob damit auch schon "künstliches Leben" geschaffen wurde, bleibt umstritten, da die "Hardware" ja doch noch von einem anderen Bakterium stammte, argumentieren die meisten der acht Experten, die für das britische Wissenschaftsmagazin "Nature" überwiegend beeindruckt und positiv Stellung nahmen.

Fast alle - unter ihnen Kapazunder wie der Genetiker George Church oder der Bioethiker Arthur Caplan - sind sich zudem einig, dass es sich um einen Meilenstein in der noch jungen Geschichte der sogenannten Synthetischen Biologie handelt und man dadurch auch mehr über den Ursprung des Lebens erfahren werde. Zwar sei der Weg zur vollständig künstlichen Zelle immer noch weit; was "Leben" ausmacht, habe aber eine neue Bedeutung erhalten.

Außerhalb der Wissenschaft führte Venters jüngster Coup, den er selbst für "bioethisch gut begleitet" hält, zu nicht eben unerwarteten Reaktionen: Deutsche und britische Kritiker der Biotechnologie warnten umgehend vor etwaigen Freisetzungen und unabschätzbaren Risiken. Und der römische Bischof Domenico Mogavero ließ in der Zeitung La Stampa verlauten, dass die Manipulation des Lebens ein Albtraum sei, der bekämpft werden müsse. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 22.-24. 5. 2010)