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Eva Glawischnig ist mit dem Erreichten nicht zufrieden, sagt sie, die Grünen müssen expandieren. Mit ihrer Hilfe auch in Wien.

Foto: AP/RONALD ZAK

Standard: In den letzten Tagen hat man viel davon gehört, wer an der grünen Wahlniederlage schuld ist, nämlich alle anderen, die Themen, ein populistischer Landeshauptmann, nur nicht die Grünen. Gab es nicht auch Fehler, die die Grünen selbst gemacht haben?

Glawischnig: Na selbstverständlich. Das ist eine Niederlage, da gibt es nichts zu beschönigen. Da gibt es selbstverschuldete Gründe, und es gibt äußere Einwirkungen, die das nicht einfacher machen.

Standard: Was haben die Grünen falsch gemacht?

Glawischnig: Da gibt es einiges im Burgenland, wahrscheinlich auch einiges im Bund, was schiefgelaufen ist. Jedenfalls ist der Spitzenkandidat im Burgenland viel zu spät positioniert worden. Außerdem haben wir es jahrelang verabsäumt, nicht nur im Burgenland, Strukturen aufzubauen. Aber um das möchte ich mich jetzt persönlich kümmern. Da möchte ich nicht länger nur zuschauen, ich werde mich jetzt persönlich auch um die Basisgruppen und die Strukturen bemühen.

Standard: Ist das die klassische Nachwuchsarbeit?

Glawischnig: Es ist im Wesentlichen Aufgabe der Landesorganisationen, in der Fläche Leute anzuwerben und einzuladen, mitzumachen. Das funktioniert in manchen Ländern sehr gut, etwa in Vorarlberg, in anderen Ländern nicht. Etwa in Oberkärnten, in Teilen der Steiermark oder im Burgenland. Dort funktioniert das nicht. Diese Strukturprobleme müssen wir in den Griff bekommen, sonst werden wir bei der nächsten Nationalratswahl nicht dazugewinnen können.

Standard: Was wollen Sie selbst anders und besser machen?

Glawischnig: Die Bundespartei muss sich wieder stärker der Basisgruppen annehmen, das ist wichtig. Das kann man nicht nur den Landesbüros überlassen, die sind manchmal damit überfordert. Das wird eine Aufgabe für Stefan Wallner und mich.

Standard: Wenn man den Schaden hat, kommt der Spott auch gleich dazu. Den Grünen wird jetzt vorgeworfen, sie seien langweilig, hätten zu wenig Profil, sie seien lustfeindlich und regulierungswütig. Was ist das Bild der Grünen?

Glawischnig: Das waren jetzt alles Klischees. Es trifft nicht zu, dass wir zu wenig Kanten gezeigt haben. Eher das Gegenteil war der Fall. Gerade im Burgenland-Wahlkampf haben wir extrem polarisierende Themen aufgegriffen. Die Mails bei mir stapeln sich, da wird uns Radikalität vorgeworfen, etwa was den geforderten Stopp des Autobahnausbaus betrifft. Auch den Rechtspopulismus im Burgenland anzugreifen und da vollkommen gegen den Strom zu schwimmen war sicher alles andere als fad. Ich glaube, dass wir in diesem Wahlkampf sogar eine Spur zu angriffslustig waren. Aber dieses Risiko haben wir einfach genommen, wir haben die Dinge beim Namen genannt, wir haben Niessl mit Haider verglichen. Das hat sicher Präsenz gebracht, hat aber auch manche verschreckt. Aber wären wir nicht so angriffig gewesen, wäre es vielleicht noch schlechter ausgegangen.

Standard: Ein Thema, das für Diskussionen sorgt, auch intern, ist die Nichtraucherkampagne der Grünen. Das sehen viele skeptisch, sie sehen das als lustfeindlich an, da geht es ums Regulieren und Einschränken, das steht den Grünen nicht so gut.

Glawischnig: Es ist jedenfalls eine Kante. Bei solchen Fragen hab ich als Grüne keine Lust, weiter herumzueiern. Da muss man Farbe bekennen. Das ist ein Thema, wo jeder etwas dazu sagen und eine Meinung haben kann. Ich finde es vollkommen richtig, dass Grüne in einer solchen Frage Position beziehen und nicht eine Wischiwaschi-Position haben. Natürlich, jeder, der selbst raucht, fühlt sich betroffen. Aber dass die Grünen in keinen anderen Bereichen für Regulierungen sind oder Verbote fordern, stimmt so nicht. Wir befürworten das Verbot von Atomkraft, Gentechnik und der Glühbirne. Und beim Rauchen geht es um Schutz und um eine Anwaltschaft, da muss man sich auch trauen, sich einmal auf eine Seite zu stellen.

Standard: Sind die Grünen breit genug aufgestellt? Einige Themen sind den Grünen abhandengekommen oder werden vernachlässigt. Umweltpolitik etwa.

Glawischnig: Für mich heißt das, dass Umwelt wieder meine persönliche Angelegenheit wird, Umwelt wird wieder Chefinnen-sache, ich werde das selbst machen. Da muss man ehrlich sein: Das hat nicht gut funktioniert.

Standard: Gibt es eine Führungsdiskussion bei den Grünen? Ist jemand aus der Partei an Sie herangetreten und hat Ihre Führungsposition infrage gestellt?

Glawischnig: Nein. Aber das ist immer so: Wenn etwas schiefgeht, ist die Bundesspitze verantwortlich, und wenn's gut läuft, dann waren es die Landesorganisationen selbst. Selbstverständlich kann man auch die Parteispitze personell hinterfragen. Aber wir haben die Bundespartei gerade umgebaut, es gibt mit Stefan Wallner einen neuen Geschäftsführer, es gibt mit Werner Kogler einen neuen Stellvertreter.

Standard: Kogler wird aber schon wieder woanders gebraucht, er muss in der Steiermark als Spitzenkandidat einspringen.

Glawischnig: Das finde ich auch sehr gut so. Bei den nächsten Wahlen kommen unsere absoluten Schwergewichte zum Einsatz, Kogler in der Steiermark und Maria Vassilakou in Wien. Deswegen bin ich für diese beiden Bundesländer auch optimistisch.

Standard: Wie stark wird sich die Bundespartei in den Wiener Wahlkampf einbringen? Es gibt ja auch Stimmen in der Partei, die meinen, Zurückhaltung wäre angebracht und hilfreich.

Glawischnig: Na selbstverständlich gibt es volle Unterstützung. Und es kann nur ein gemeinsamer Wahlkampf sein. Gerade in Wien ist es so, dass die Leute Landespolitik und Bundespolitik nicht getrennt wahrnehmen. Da ist ein gemeinsames Auftreten ganz wichtig. Das wird ein Bundeswahlkampf, keine Frage. Und wir werden alle Kräfte aufbieten.

Standard: Bei den letzten Wahlen haben die Grünen stagniert oder verloren. Ist möglicherweise der Plafond schon erreicht?

Glawischnig: Wir sind jetzt bei elf, zwölf Prozent. Damit will ich mich nicht zufriedengeben. Wenn es die SPÖ zerbröselt und die ÖVP verliert, muss es uns gelingen, Wähler zu überzeugen, es mit uns zu versuchen. An dem müssen wir arbeiten. Bis jetzt ist es uns nicht gelungen, diese Menschen zu erreichen, und damit bin ich überhaupt nicht zufrieden. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 4.6.2010)