Alexander Van der Bellen will als grüne Nachwuchshoffnung Wien aufmischen, während Bundesrat Efgani Dönmez in den Ländern Politik vermitteln will.

Foto: STANDARD/Corn

"Das Alter ist da nichtder Punkt. Was die Jugendlichen nicht leiden können, ist Verlogenheit und das Herumgerede", meint van der Bellen.

Foto: STANDARD/Corn

Die Grünen haben auch ein Nachwuchsproblem, das gestehen ein älterer Alexander Van der Bellen und ein etwas jüngerer Efgani Dönmez freimütig ein. Wobei der Ältere den Parteirebellen und der Jüngere den Braven gibt. Michael Völker sprach mit den beiden Grünen.

***

Standard: Bei den Grünen wird eine dringend notwendige Verjüngung der Partei diskutiert. Gleichzeitig werden Sie als Wunderwaffe von Maria Vassilakou in Wien in die Wahlauseinandersetzung geschickt. Wie alt sind Sie?

Van der Bellen: 66. Wieso? Das ist doch kein Alter!

Standard: Angeblich fehlt den Grünen der Nachwuchs, und dann werden ausgerechnet zwei Altspatzen wie Sie und Christoph Chorherr ins Rennen geschickt?

Van der Bellen: Es gehören beide dazu, die Jungen und die Alten. Es kommt darauf an, von wem die Kritik kommt. Wenn sie aus den Landesorganisationen kommt, lass ich sie nicht gelten. Wer schickt die Kollegen in den Nationalrat? Die Landesorganisationen. Wenn die finden, der Altersdurchschnitt gehört gesenkt, sollen sie jemand jüngeren schicken. Die Bundesspitze hat da so gut wie nichts mitzureden.

Standard: Gibt es bei den Grünen ein Nachwuchsproblem?

Dönmez: Die Strukturen bei den Grünen kann man nicht mit denen von anderen Parteien vergleichen. Dort werden Personen in Vorfeldorganisationen "rekrutiert" und dann in den Parteiapparat einverleibt. Über diese Strukturen verfügen wir nicht. Wir müssen auf die Menschen zugehen, wenn wir neue Köpfe wollen. In Oberösterreich tun wir das auch. Dort, wo wir Gemeindegruppen und auch junge Leute haben, legen wir zu. Wir haben wenigstens den Mut, offen darüber zu diskutieren. Andere Parteien haben dieses Problem auch, aber reden nicht darüber. Natürlich müssen wir schauen, wie wir verstärkt junge Leute reinholen können.

Standard: Bei der Listenerstellung haben junge Leute oder Quereinsteiger doch kaum eine Chance. Da geht es im Wesentlichen darum, dass die Eingesessenen ihre Mandate behalten, oder? Bei der Wiener Liste wurde auch nur durch massiven Druck von außen etwas bewegt.

Van der Bellen: Interessant, dass Sie das so wahrnehmen. Von der Statistik her stimmt das sicher nicht. Der Nationalratsklub ist bei der letzten Wahl zu einem Drittel personell ausgewechselt worden. Was Sie wahrnehmen, ist, dass die Prominenz, Glawischnig, Pilz, Kogler, eine relativ hohe Konstanz aufweist. Das mag schon sein.

Standard: Vielleicht ist es ja auch anders: Es gibt tolle alte Abgeordnete, aber keine jungen, die etwas zusammenbringen.

Van der Bellen: Ich weiß nicht, warum Sie zu der pessimistischen Diagnose kommen. Ist der Hintergrund die Burgenlandwahl?

Standard: Nein, aber die Burgenlandwahl bietet einen guten Anlass, das zu diskutieren.

Van der Bellen: Einen nicht besonders guten Anlass, finde ich. Es tut mir leid, dass ich da fast recht gehabt habe. Ich habe schon vor einem Dreivierteljahr davor gewarnt, dass wir Gefahr laufen, im Burgenland aus dem Landtag zu fliegen. Da sind in der Landesorganisation zu viele Eigenfehler passiert. Das auf Österreich umzulegen, halte ich aber für gewagt.

Standard: Schauen wir uns die Wahlergebnisse der letzten fünf Jahre an: Die Grünen stagnieren oder verlieren, wie bei der EU-Wahl und der Burgenland-Wahl.

Van der Bellen: Das ist unbestritten. Wie bei allen anderen Parteien gibt es auch bei uns gewisse Nachwuchsprobleme. Ich würde es gar nicht auf die Jungen fokussieren, sondern generell auf die Frage: Wer geht heute gerne und mit Leidenschaft in die Politik? So einfach, wie Sie sich das ausmalen, ist es nicht. Aber dazu sind wir da, um das zu lösen. Hoffentlich mit mehr Erfolg als die anderen Parteien.

Standard: Haben Sie den Eindruck, dass Sie als junger Politiker bei den Grünen gefördert werden?

Dönmez: Wenn man die Unterstützung nicht hat, wird man sicher nicht in eine Spitzenfunktion kommen. Man braucht genug Personen, die einen unterstützen. Was man dann daraus macht, obliegt einem jeden Abgeordneten selber. Die politische Arbeit kann man so ansetzen, dass man das Notwendigste erledigt, oder man kann wirklich das Beste daraus machen. Sie werden jetzt staunen: Ich versuche das Beste daraus zu machen. Ich bin sehr viel in Oberösterreich unterwegs, spreche viel mit Jugendlichen, mit österreichischen und ausländischen, und versuche das Interesse für die Politik und die gesellschaftlichen Prozesse zu wecken.

Standard: Eine Diagnose lautet, dass sich die jungen Leute ohnedies für Politik interessieren, aber nicht für die Politiker, die wir in Österreich haben. Trifft das auch auf die Grünen zu?

Van der Bellen: Bei den AHS-Schülern in den Gymnasien hatten wir intern Umfragewerte zwischen 30 und 70 Prozent. Sehr schwer haben wir uns immer getan bei den Berufsschülern, bei den Lehrlingen, die aus anderen Milieus kommen, die sich durch unser manchmal akademisches Gehabe - ich schließe mich da gar nicht aus - nicht angesprochen fühlen. Das Alter ist da nicht der Punkt. Was die nicht leiden können, ist Verlogenheit und das Herumgerede, den üblichen Politiker-Speak halt. Wenn man die einmal zum Lachen bringt, hat man schon die halbe Strecke gemacht.

Dönmez: Der Großteil der Bevölkerung hat den Eindruck, die Politiker richten es sich eh. Oder es wird nur gestritten. Das Gemeinsame ist zu wenig im Vordergrund. Diese negative Stimmung macht Politik für viele unattraktiv. Das heißt nicht, dass Politik uninteressant ist. Bei uns gibt es genauso Streitereien und Meinungsunterschiede, das ist gut, davon lebt eine Demokratie. Wir sind mutig genug, das teilweise in der Öffentlichkeit auszutragen. Meine Aufgabe als junger Politiker ist es, auch ein anderes Bild zu vermitteln. Man muss das Gegenüber nicht in den Dreck ziehen, man kann auch lösungsorientiert arbeiten. Ja, wir haben in der Gesellschaft Probleme. Die kann man benennen, und man kann Lösungen anbieten, ohne eine Sündenbockpolitik zu betreiben.

Standard: Wer von den Grünen spricht denn die Probleme in der Gesellschaft an? Das Thema Migration und Ausländer wird von den Grünen sehr einseitig angegangen. Dass es auch Probleme gibt, Kriminalität etwa, wird ausgeblendet. Das bringt den Grünen den Vorwurf ein, sie wären weltfremd. Ist da nicht etwas dran?

Van der Bellen: Sie sprechen hier mit zwei Ausländern! Wir sind beide Österreicher der zweiten Generation. Ich bitte um Verständnis, wenn man allergisch reagiert, wenn Ausländer und Kriminalität von ÖVP, SPÖ und FPÖ und hin und wieder auch von den Medien in einem Atemzug genannt werden. Nach diesem Vorspann bin ich gerne bereit zuzugeben, dass auch wir unsere blauäugigen Phasen gehabt haben.

Dönmez: Es ist bekannt, wofür wir in dieser Frage einstehen. Dass wir uns klar von rechts abgrenzen. Aber es geht nicht um Ausländer raus oder Ausländer rein. Wir müssen in der Partei von der Bundesspitze bis zu den kleinsten Gemeindestuben auch eine harte Diskussion führen , was wir in diesem Bereich nicht haben wollen. Wenn wir von Integration sprechen, was immer das auch sein mag, muss man auch sehen, dass es in diesem Land Gruppierungen gibt, die unter dem Deckmantel der Integration und unter dem Deckmantel von Kulturvereinen als verlängerter Arm der Herkunftsländer politisch aktiv sind, den Islam politisch instrumentalisieren und missbrauchen. Das ist Realität. Der dürfen wir uns nicht verschließen. Es kann nicht sein, dass in Wien am Ring Demonstrationen von islamistischen Organisationen stattfinden und "Nieder mit Israel" propagiert wird. Wir möchten ein liberales, ein weltoffenes Österreich sein, unter bestimmten Rahmenbedingungen, die das Zusammenleben in geregelten Bahnen ermöglichen. Ich als türkischstämmiger Politiker unterstütze sicher nicht nationalistische oder islamistische Gruppierungen, ich mache Politik für dieses Land und für alle Österreicher, wurscht ob mit Migrationshintergrund oder nicht.

Standard: Verzeihen Sie, aber Sie sind bei den Grünen ein bisschen der Aushänge-Ausländer, der das so sagen darf, aber sonst sind Sie eher alleine auf grüner Flur.

Dönmez: Es geht nicht darum, was ich sagen darf. Ich habe meine Lebensrealität, meine Ausbildung und meine Erfahrung. Ich nähere mich diesem Thema nicht aus einer ideologischen Perspektive an. Es gibt Probleme im Zusammenleben, wir sind aber die Partei, die versucht, konstruktive Lösungen anzubieten, ohne Sündenböcke in der Gesellschaft zu generieren, so wie es andere machen.

Standard: Gibt es bei den Grünen ein Problem mit den Themen? Die Ölkrise im Golf von Mexiko ist überhaupt kein Thema. Umwelt scheint gar nicht mehr vorzukommen. Es gibt nicht einmal einen Boykottaufruf gegen BP.

Van der Bellen: Es freut mich, dass Sie die Interviews mit Freda Meissner-Blau so genau lesen.

Standard: Hat sie nicht recht?

Van der Bellen: Oh ja. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, Klimaschutz und Umweltpolitik in den Köpfen der Leute als Thema zu verankern. Heute ist es eines der wichtigsten Themen. Aber es ist medial schwer verkaufbar. Ich jedenfalls beschäftige mich seit 20 Jahren damit, vielleicht mit zu wenig Feuer, wie Freda sagt. In der Sache plädiere ich für unschuldig.

Standard: Sie rauchen ja gar nicht. Hat sich bei Ihnen Glawischnig mit dem Rauchverbot durchgesetzt?

Van der Bellen: Guter Hinweis. (Sucht ein Zigarettenpackerl, zündet sich eine an und bläst den Rauch aus.) Ich bin absolut loyal, aber nicht 100-prozentig. (STANDARD Printausgabe, 11.6.2010)