Wien  - "Von Seiten der Gesellschaft gibt es eine große Nachfrage nach Spanisch, in Österreich wird das aber ignoriert", kritisiert der Direktor des spanischen Kulturinstituts Instituto Cervantes in Wien, Carlos Ortega. Die Rolle von Spanisch werde immer wichtiger, nicht zuletzt wegen des wirtschaftlichen Potenzials Südamerikas. Deshalb würden auch immer mehr Eltern fordern, dass Spanisch an den Schulen angeboten wird und immer mehr Österreicher diese Sprache studieren. Der Staat habe sich allerdings - im Gegensatz zu anderen Ländern - "entschieden, nicht auf diese Entwicklung zu reagieren", beklagt Ortega anlässlich des "Tags der spanischen Sprache" ("El dia e"), der am Samstag (19.6.) weltweit mit Kulturveranstaltungen gefeiert wird.

Trotz großer Nachfrage mehr Lehrerposten für Französisch als für Spanisch

So sei etwa in Frankreich Deutsch von Spanisch an den Schulen als zweite Fremdsprache abgelöst worden, auch in Deutschland sei das Angebot für Französisch zurückgefahren und für Spanisch ausgeweitet worden. In Österreich ist laut Ortega allerdings keine Bewegung der Bildungspolitik bemerkbar, obwohl diese sich des Problems bewusst sei. Noch immer gebe es deutlich mehr Posten für Französisch- als für Spanisch-Lehrer, weil an heimischen Schulen traditionell Französisch als zweite lebende Fremdsprache gelehrt wird. Noch vor Spanisch komme Latein als dritte Fremdsprache. "In Österreich ist es sehr schwer, den Status quo zu ändern", so Ortega.

Zunehmendes Interesse an Spanisch an den Unis

Als Indiz für das zunehmende Interesse an Spanisch sieht Ortega die Zahlen am Institut für Romanistik der Uni Wien: Dort ziehen 2.700 der 5.000 Studenten das Spanisch-Studium Französisch, Italienisch und anderen romanischen Sprachen vor. Die Studienanfänger würden allerdings vermehrt nicht - wie eigentlich für das Erststudium geplant - auf Maturaniveau einsteigen, sondern müssten bei den Basics beginnen. Ortega: "Das zeigt, dass viele Spanischinteressenten die Sprache an der Schule nicht erlernen können. An der Uni, wo sie freie Wahl haben, entscheiden sie sich dann für Spanisch."

30 Prozent mehr Schüler am Wiener "Instituto Cervantes"

Auch am Wiener Instituto Cervantes gibt es immer mehr Kursteilnehmer, seit 2005 hat deren Zahl um 30 Prozent zugenommen. In Wien sprechen derzeit rund 40.000 bis 50.000 Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft im Alltag Spanisch, darunter fast 30.000 Südamerikaner, die sich hier niedergelassen haben. Dennoch gebe es nur einen spanischen Kindergarten und zwei Privatinitiativen für spanischsprachige Kindererziehung; eine deutsch-spanische Volksschule existiere überhaupt nicht, bemängelt Ortega.

Sprachen stünden zwar prinzipiell nicht in Konkurrenz zueinander, betonte Ortega, der Wien nach fünf Jahren an der Spitze des Instituto Cervantes in Kürze verlassen wird. Die objektiven Fakten würden allerdings deutlich dafür sprechen, auf die wachsende Bedeutung des Spanischen zu reagieren.

Mehr als 450 Millionen Menschen sprechen Spanisch

Laut einer Studie des Instituto Cervantes in Madrid wird Spanisch mittlerweile von mehr als 450 Millionen Menschen gesprochen. Für 329 Millionen Menschen ist es Muttersprache, darunter allein für 36,3 Millionen. in den USA. 2050 soll es dort bereits die meisten Spanischsprecher weltweit geben. Aufgrund demografischer Faktoren werde zudem der Prozentsatz der Weltbevölkerung, der Spanisch spricht, weiter zunehmen, der Anteil der Chinesisch- und Englischsprecher gehe hingegen zurück. 2030 werden laut Studie 7,5 Prozent der Weltbevölkerung Spanisch sprechen (535 Mio. Menschen), nur Chinesisch wird dann noch weiter verbreitet sein.

Beim Anteil an den meistgelernten Fremdsprachen liegt Spanisch weltweit mit sechs Prozent weit abgeschlagen hinter Englisch (69 Prozent) und knapp hinter Französisch (sieben Prozent). Insgesamt lernen derzeit 14 Millionen Menschen Spanisch als Fremdsprache, die meisten sind es in Amerika (rund 7 Millionen), gefolgt von Europa (3,4 Millionen) und Afrika (rund 511.000). (APA)