Brunch unterm Parkhaus: Namli Gurme, gibt auch ein paar Plätze draußen.

Foto: Fidler

Rot in Grün: Namli Gurme, fleischlos

Foto: Fidler

Luftaufnahme vom vegetarischen Parkhaus-Frühstück.

Foto: Fidler

Dem Namli Gurme sind aber auch Carnivoren nicht ganz wurst, signalisieren diese mächtigen Apparate.

Foto: Fidler

Das Bobo-Pendant in Nisintasi, ganz schick der Blick auf die Terrasse.

Foto: Fidler

Die Vegetarierin lässt sich Gemüse grillen. Nicht weiter überraschend, aber sehr fein.

Foto: Fidler

Der Fidler bestellt Grünzeug-Pizza. Da kann was nicht stimmen.

Foto: Fidler

Wo doch von der Wandtafel Fleisch und Fisch so freundlich winken. Wir rätseln noch. Bleiben Sie dran.

Foto: Fidler

Fragen Sie Frau Andrea. Die kennen Sie vielleicht schon von den Nieren in Istanbul (Goldener Darm am Goldenen Horn). Die erweckten wenig Vertrauen? Sie müssen in der Straße der Unverheirateten ja nicht ans Innerste gehen. Die Lahmacun und das Gemüse zum Beispiel kamen ausgesprochen gut an, die meist kalten (daher der Titel), oft fleischlosen Meze sowieso, selbst bei mir. Fragen Sie also Frau Andrea. Was fragt der Fidler: Wo essen?

Frühstück im Parkhaus

Zum Frühstücken in Istanbul, hier insbesondere Beyoglu and around, empfiehlt Frau S. ein Parkhaus. Das sagt sie nicht so, meint es aber, wenn sie von einem Frühstückslokal spricht, das Speisen aus allen Winkeln der Türkei anbiete. Vor allem auch vieles ganz ohne Fleisch und Fisch. Die Augen der Vegetarierin leuchteten noch ein Stück blauer, als sie es von Haus aus tun. Also ins Parkhaus. Wir werden mit zwei blauen Augen davonkommen, denke ich.

Wenn Sie erleben wollen, wie unter Beyoglu sonntagvormittags der türkische Bär in einem Feinkostladen steppt: Namli Gurme, Rıhtım Caddesi, Karaköy, Istanbul. Oder laut Frau S.: Zwischen Galatabrücke und Istanbul Modern, die wir übrigens auch ganz interessant, aber noch nicht striking fanden. Die Bibliotheksdeckeninstallation kann aber einiges, jedenfalls dekorativ betrachtet. Bitte nicht auch noch Kunst-Dilettantismus in diesem kleinen, dreckigen Fressblog!

Gurme und Gourmet

Gurme, wir Aushilfssprachkundler und Etymologiedilettanten ahnen es, meint Gourmet. Ein bisschen Unerschrockenheit hilft schon in der bestens besuchten Feinkost unter dem Parkhaus, um sich durchs Gewimmel vorzukämpfen. Aber wenn die Vegetarierin Vegetarisches wittert, ist sie praktisch nicht zu halten. Frauhaft wirft sie sich ins Getümmel, der Fidler, kein Blut geleckt, wiewohl gewaltige Würste von der (niedrigen) Parkdeckhausdecke baumeln, hält sich saftlos am Tisch fest.

Beherzte Vegetarierin

Die Vegetarierin schleppt beherzt fleischfrei gefüllte Paprika in Grün an und in Rot, marinierte Artgenossen in Rot, gehackte in Scharf, pürierte Verwandte in Orange und Cevapiform, gewürfelte Zucchini in käsigem Weiß und Grünzeug in Grün - also Spinat. Nicht gerade the perfect match für Menschen, die gerne geröstete Nieren (etwa bei Reitbauers) oder auch Niere mit Hirn (bei Amstädters) frühstücken oder Eierspeise von dafür zweistellig abgetretenen Hühnerföten mit dem schwarzen Blut der Kerne von fünf bis sechs Kürbissen oder Lardo on Toast, um den Cholesterinspiegel nicht zu schnell absacken zu lassen.

Aber: Das Potpourri der Anämie schmeckt. Überraschend. Gut. Und doch bekehrungstechnisch hoffnungslos. Nach zwei Jahren mit mir hat sich schon ein (harmloser) Priesternachwuchshort freiwillig aufgelöst. Aber: Es gibt ein Leben nach dem Fleisch (und dem Fisch), da bin ich ganz sicher, nach dem vielen Grün unterm grauen Parkhaus.

Es gibt Leben vor dem Fleisch

Dann muss es aber auch ein Leben vor dem Fleisch und dem Fisch geben, ganz besonders in Istanbul. Meze, sagt der Türke, und schon leuchtet das Blau wieder wie der Himmel über dem Bodensee und dem Wattenmeer, über dem Bosporus sowieso.

Melanzani nude

Ich, für meinen dilettantischen Teil, verstehe ja nicht, warum die Melanzanicreme hier a) blütenweiß oder hellvanillig ist oder gar in die modefarbige Richtung "nude" tendiert. Und warum sie b) so rauchig schmeckt. Aber: Unter Suchtverdacht, muss ich zugeben, steht sie. Die Melanzanicreme, in diesem Fall. Dieser Fall hieß Asmali Meyhane, ein bescheidener Diminutiv für dieses Wirtshaus in Beyoglu (Asmalimescit Caddesi 1 D), in die uns Ahmed Oran, der deutlich szenigere unserer beiden Maler, geführt hatte. Insbesondere die Blauäugige, dachte ich bei mir.

"Cavit" nannte er sie, die Wirtschaft, und "Cavit Saatci" steht kleiner auf der Karte. Saatci, fast Saatchi, dachte ich, auch nur bei mir. Hier hängen immerhin einige Bilder, auch eins von Ahmed, wenn ich mich recht erinnere. Er zahlte zudem, für alle drei. Danke, ich hab am meisten gegessen, was regelmäßige Leser dieser Kolumne nicht überraschen kann.

Über das Grünzeug kann ich in erfreuter Erinnerung berichten: Auf der Rückseite der Visitenkarte (von Cavit) notierte ich fleischlos zudem Bohnensalat, gewaltig geknofelten Wildspargel, Artischocke und Mangold. Über den Fisch, der hernach kam - ein nächstes Mal, bleiben Sie dran! Vorhang zum letzten garantiert fleischlosen Akt.

Gerührt, nicht geschüttelt

Fragen Sie mich bitte nicht, was in mich gefahren ist. War es die Rührung, dass die Vegetarierin in einer 18-Millionen-Stadt, beinahe ohne zarte Orientierungshilfe, den einzigen von allerhöchstens zwei (eher einem einsamen) Muji-Shop entdeckte? War es die schlafwandlerische Zielstrebigkeit, mit der sie den (wie so oft) orientierungslosen Fidler in ein recht schickes Bobo-Lokal in Nisintasi lotste? War's das, dass ich tatsächlich unter einer recht weitläufigen Tafel voll Fisch und Fleisch eine sehr tuffig-trockene Pizza mit Gemüse wählte, während die Blauäugige nicht überraschend zum sehr grünen, einfach gegrillten Grünzeug griff?

Ich weiß es nicht, damals wie heute. Selbst wenn ich mich grün und blau darüber ärgerte.

PS: Das Bobo-Grünzeug knabberten wir im Kantin, Nisintasi, Akkavak Sokagi 30.