Peter Kampits
Verschont vom Willen zum Wellnessbetrieb
Angesichts der aktuellen Diskussion um Schule bin ich heilfroh, eine traditionelle Schuldbildung erhalten zu haben. Es gab den heute verteufelten Frontalunterricht, es gab Lehrer, die lehrten, und Schüler, die lernten. Und wir wurden gar nicht so schlecht auf das Leben vorbereitet.
Die Killerbegriffe der gegenwärtigen Debatte gab es nicht: keine Rankings, Ratings, Auditings, kein Monitoring, keine Anforderungen an die Lehrer, Problemlösungskompetenzen, Medienkompetenz, Kommunikationsbereitschaft zu vermitteln - und schon gar nicht Pisa und seine nahezu schwachsinnigen Kriterien.
Wir waren verschont von einem Lehrerbild, in dem dieser als Coach, Betreuer, Facilitator, Manager, Drittmitteleinwerber, Sozialarbeiter tätig sein musste. Und es gab keine Computer, kein Internet, keine Bildungsstandards und auch keine Neue Mittelschule und deren Orientierung an der Mittelmäßigkeit.
Es gab auch keine Rufe nach einer Ganztagsschule, wir waren froh, den Nachmittag ohne weitere Animationsanreize für uns zu haben. Muße und individuelle Selbstgestaltung unseres Lebens waren uns wichtig. Vielleicht gerade deshalb wurden viele von uns zu Persönlichkeiten des öffentlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens, vielleicht gerade weil wir den Zwangsbeglückungen einer Ganztagsschule entkamen.
Subjekte statt Projekte
Ob sich unsere Lehrer lebenslangem Lernen unterworfen haben (das an lebenslange Haft erinnert) oder Kurse besucht haben, die ihrer Fortbildung dienten (übrigens ein interessanter Begriff, der auch "fort von Bildung" bedeuten kann), war uns gleichgültig. Wir hatten gute und schlechte Lehrer, die uns mit fachübergreifendem Lernen, Schul- und Betriebsschnuppern, Exkursionen, Dichterlesungen, Girls' Days, Polizeischulungen und der Vorstellung, dass die Schule ein ganztägiger Wellnessbetrieb sein sollte, verschonten. Wir haben auch keine Projekte gemacht, wir waren eher Subjekte, die unseren Lehrern nicht immer Freude bereiteten. Die heutzutage so hoch geschätzte Teamfähigkeit hatten wir ignoriert. Wir wurden - und dies in einer Situation, in der Bildung immer noch mit Ausbildung verwechselt wird - zu Individualisten.
Dafür bin ich meiner Schule und meinen Lehrern dankbar. Lasst die Lehrer lehren und die Schüler lernen. Und verschont uns mit dem an Schwachsinn grenzenden Unfug von Reformen, die schulfremde, nie unterrichtend habende Experten als Heilmittel anpreisen. Kurzum: Ich wünsche mir eine Schule, die Lehrer und Schüler mit Freude betreten, eine Schule, die sich vom Albtraum in einen Lebensraum verwandelt.