„Ich kann das alles nicht mehr mittragen. Es wird dem Wähler etwas versprochen, aber es mangelt dann an der Umsetzung", sagt die EU-Abgeordnete Angelika Werthmann im Gespräch mit dem STANDARD nach ihrem Austritt aus der "Liste Hans-Peter Martin" am Mittwoch (siehe derStandard.at-Bericht). Martin wirft sie „mangelnde Kooperations- und Gesprächsbereitschaft" vor. Er „propagiert ständig Demokratie, Transparenz, Mitsprache", erzählt sie, aber er selber halte sich nicht daran. Ein Jahr lang habe sie das seit den EU-Wahlen im Juni 2009 beobachtet, und sei jetzt zum Schluss gelangt, dass es keinen Sinn mehr habe.

Besonders problematisch findet Werthmann den Umgang des Listen-Gründers Martin mit Millionenbeträgen, die er als Wahlkampfkostenrückerstattung gemäß dem Parteienförderungsgesetz bekommen hat. Insgesamt sind dies knapp mehr als 4,2 Millionen Euro seit 2005 gewesen. Für die EU-Wahlen 2004 erhielt die Liste HPM 1,488 Millionen Euro, für die Teilnahme an der Nationalratswahl 2007 mehr als 391.000 Euro, und für die EU-Wahl 2009 mehr als 2,32 Millionen Euro. Als diese Problematik in Mayers Europablog auf derStandard.at im Frühjahr im Detail aufgezeigt wurde, reagierte Martin darauf mittels Postings sehr emotional, gab aber keinerlei Einblick in die finanzielle Gebarung seiner Liste.

"Kein Projekt bekannt"

Werthmann sagt nun dazu: „Ich habe keine Ahnung, was mit der Wahlkampfkostenerstattung geschehen ist", auch wenn das ein Mitglied der Liste eigentlich wissen müsste. Und: „Mir ist kein Projekt bekannt, außer jenes von 100.000 Euro für ein Sozialprojekt im Integrationshaus, wofür es verwendet wurde. Wo ist also das Geld, was ist daraus geworden, was ist damit passiert? Das ist nicht das Wahre", erklärt die EU-Abgeordnete und fordert Martin auf, das öffentlich zu machen: „Er liegt den Wählerinnen und Wählern in Österreich in der Verpflichtung zu sagen, wie viel sich auf dem Parteikonto befindet."

Woran sich das Zerwürfnis mit dem Listengründer und selbsternannten EU-Aufdecker im Alltag konkret festmachen lasse? Werthmann: „Als es zum Beispiel um eine Presseaussendung ging. Die hat er mir einfach vorgelegt, ohne dass ich die Möglichkeit hatte, dazu inhaltlich etwas zu sagen." Oder ein anderes Beispiel sei die Besetzung des Perspektivenausschusses im EU-Parlament gewesen: „Das hätte ich für mich für interessant gehalten. Aber Martin hat einfach beschlossen, dass Martin Ehrenhauser (der dritte EU-Abgeordnete der Liste HPM, Anm.) die Liste in diesem Ausschuss vertritt", sagt die Salzburgerin. Mitentscheidung in der Gruppe, das wolle Martin nicht. Der Stil sei mit „Wasser predigen, Wein trinken" durchaus treffend beschrieben.

Werthmann ist bereits die zweite EU-Abgeordnete, die mit Martin kurz nach EU-Wahlen bricht. 2005 hatte sich ein ähnliches Szenario mit Karin Resetarits abgespielt, die die Liste verließ und dann bei der Fraktion der Liberalen im EU-Parlament andockte. Werthmann will vorerst einmal freie Abgeordnete bleiben und im Herbst entscheiden, ob sie sich um Aufnahme in einer Fraktion bemüht. (Thomas Mayer, derStandard.at, 14.7.2010)