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Foto: Reuters/Bader

Es ist die älteste Falle der Literaturgeschichte. Und noch immer schnappt sie beharrlich zu: die Verwechslung von Autor und Erzähler.

Jüngere und jüngste Hervorbringungen heimischer Geschichtenerzähler spielen gekonnt damit. Der Autor Thomas Glavinic gewährte etwa in "Das bin doch ich!" (2007) tiefe Einblicke in das beschwerliche Literatenleben aus Sicht des Erzählers Thomas Glavinic. Der Komödiant Michael Niavarani gab dem Erzähler seines Romans "Vater Morgana" (2009) wiederum einen anderen Namen - nicht ohne aber darauf hinzuweisen, dass dieser praktisch das einzige ist, was ihn vom Autor unterscheidet.

Walter Meischberger - quasi ein Kollege Niavaranis - nahm (neben einigem anderen) nun diese Tradition auf. Folglich lässt er die Rezipienten seines vielbeachteten Erstlingswerk mit traumwandlerischer Sicherheit im Unklaren darüber, ob sie von einer bestens erfundenen Raubersgschicht unterhalten oder doch Zeugen eines Geständnismonologs werden (Methode: Unrechtsbewusstseinsstrom).

Nur wenige Monate braucht die Staatsanwaltschaft, bis sie den Fall an die Literaturkritik abgibt. Die kann über den Erzähler Walter Meischberger bereits sehr viel sagen: Er ist ein Opportunist, der sich für unversteuerte Millionen kaufen lässt und bei ebenso scham- wie gewissenlosen Personen ein und aus geht, die ihm von ihren schwerst illegalen Machenschaften berichten. Er erfährt von Sauereien, die sich andere nicht einmal vorstellen können (er aber schon). Gegen Ende hin wird er zusehends paranoid, was aber natürlich - wie wir wissen - nicht unbedingt heißen muss, dass man nicht verfolgt wird.

Der Autor Walter Meischberger tritt dagegen völlig in den Hintergrund. Selbst nach Veröffentlichung des epochemachenden Werks räumt er behände alle Klarheiten beiseite; macht sich rar, verweigert jedes Interview. Wir wissen praktisch nichts über ihn - außer, dass er statt eines auktorialen ("allwissenden") Erzählers wohl sicherheitshalber auf den undurchsichtigeren Ich-Erzähler zurückgriff. Aber vielleicht versucht sich Meischberger in seinem nächsten Werk auch an dieser Erzählmethode. Und dann übergibt die Literaturkritik wieder an die Staatsanwaltschaft. (Martin Putschögl, derStandard.at, 5.8.2010)