Salzburg - Einer der Stühle an dem langen Verhandlungstisch ist umgekippt. Blut klebt an der Kopflehne. Auf dem Tisch stehen Weinflaschen und eine Mini-Guillotine: Von hier aus herrscht der Wohlfahrtsausschuss der Französischen Revolution über das Fallbeil und damit über Leben und Tod. In Notre terreur (Im Bann des Schreckens) widmen sich Regisseur Sylvain Creuzevault und sein Pariser Ensemble d'ores et déjà der dunklen Seite der französischen Revolution.

Gemeinsam mit drei anderen europäischen Stücken wurde Notre terreur in diesem Jahr als Wettbewerbsbeitrag für das Young Directors Project im Republic ausgewählt. Die vom scheidenden Intendanten Jürgen Flimm ins Leben gerufene und derzeit von Martine Dennewald und Thomas Oberender kuratierte Plattform stellt dem Salzburger Festspielpublikum vielversprechende Nachwuchsregisseure vor. Der diesjährige Gewinner erhält am 21. August nicht nur den exklusiven, von Montblanc gesponserten Max-Reinhardt-Pen, sondern auch 10.000 Euro.

Das Ensemble d'ores et déjà hat sich das große Ideal der Revolution, die Gleichheit, zur Maxime erhoben. Stück und Dramaturgie wurden gemeinsam erarbeitet und verfeinert. Auch die Revolutionäre im Stück sind Gleiche. Keine historischen Figuren, sondern Menschen wie du und ich. Zu Beginn sitzen sie unter die Zuschauer gemischt auf den zwei parallel zum Verhandlungstisch aufgebauten Publikumstribünen (Julia Kravtsova). Äußerlich wirken sie wie hippe Mittzwanziger: eine Mischung aus Berlin-Mitte und Wallstreet-Brokern in den 80ern.

Am Tisch wird die Revolution dann wie ein Kinderspiel betrieben: leidenschaftliche Diskussionen, ab und an eine Rangelei. Wer die Übertitelung des französischen Wortschwalls verfolgt, lässt sich eine durchwegs intensive Schauspielleistung entgehen.

Über Leben und Tod wird hier im Vorübergehen abgestimmt. Die blutige Realität ist weit weg, nur ein bisweilen ruckartig über die Wand hinter dem Tisch gezogener roter Vorhang erinnert an den Schrecken. Dieser gerät zunehmenden außer Kontrolle - und mit ihm die etwas zu lange Aufführung. Wo anfangs noch zu viel geredet wurde, gibt es nun einen kryptischen Auftritt des toten Danton und literweise rote und weiße Farbe. Gleichheit mag ein hehres Ideal sein. Bisweilen führt sie aber auch ins Chaos. (Andrea Heinz, DER STANDARD/Printausgabe, 06.08.2010)