Stellen wir uns vor, es ist Schulbeginn. Die Eltern vereinbaren mit ihrem Kind: Du bekommst in diesem Jahr fünf Paar neue Schuhe, die wir dir finanzieren. Wenn du unbedingt mehr Schuhe willst, dann darfst du die zwar mit unserer Kreditkarte zahlen, aber wir verlangen das Geld zurück. Fixieren wir doch schon jetzt einen Betrag, sagen wir, den Preis für das günstigste Schuhmodell. Egal, welche ich kaufe? Ja, egal. Na, so macht der Kauf von extrateuren Extratretern doch gleich viel mehr Spaß!

Absurd? Realität! Genau so funktioniert die Finanzierung der Landeslehrer im Pflichtschulbereich. Der mit der Kreditkarte ist in dem Fall der Bund, die Länder sind die, die überziehen und mehr teure Lehrer einstellen als geplant, aber nur "billige" zurückzahlen müssen an den Bund.

Zehn Millionen perdu

Dieses Konstrukt machte Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) stutzig, und sie beschloss, den Ländern künftig ein bisschen genauer auf die Finger zu schauen, denn die überziehen die im Zuge des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern ausverhandelten Stellenpläne regelmäßig. Schmied plante eine Verordnung zum Landeslehrer-Controlling, um "Kostenwahrheit und Transparenz herzustellen", da die "zinslose Vorfinanzierung" von überzähligen Landeslehrern den Bund jährlich zehn Millionen Euro kostet, die er sich bei korrekter Stellenbesetzung sparen könnte.

Laut den Daten aus dem Unterrichtsministerium stieg die Zahl der überzogenen Planstellen von 2005/06 bis 2009/10 von 750 auf 2000 Stellen. Das Problem: Der Rückerstattungstarif für Extratouren bei den Lehrereinstellungen ist relativ günstig bemessen, entspricht er doch dem durchschnittlichen Jahresgehalt von 38.000 Euro in der "Entlohnungsgruppe II L" (Junglehrer mit befristetem Vertrag). Nun ist es aber so, dass die Zahl der II-L-Lehrer kleiner ist als die Anzahl der überzogenen Planstellen - was so viel bedeutet wie: Die Länder stellen mehr ältere, also teurere Lehrer ein (Entlohnungsgruppe I L, Durchschnittskosten pro Jahr rund 58.000 Euro) - also ein Verlustgeschäft für den Bund, der nur 38.000 Euro refundiert bekommt.

Das hinderte die Regierungsspitze nicht, Schmieds Kontroll-und Rückforderungsvorhaben am Dienstag im Ministerrat den Garaus zu machen und den Controlling-Verordnungsentwurf zu kippen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will erst im kommenden Jahr bei den Finanzausgleichsverhandlungen über das Landeslehrer-Controlling reden.

Damit ist Schmieds Plan, künftig vierteljährlich zu kontrollieren, ob die Länder im vereinbarten Rahmen Lehrer anstellen, und bei Überziehung auch den "vollen" Preis zurückzufordern, von ihrer eigenen Regierungsspitze zum Scheitern gebracht worden.

Im Gegensatz zum freiwilligen Kontrollverlust von Kanzler und Vizekanzler versuchte die Unterrichtsministerin nach dieser politischen Grätsche der beiden Herren zumindest ihrerseits die Selbstkontrolle zu wahren. Im Gespräch mit dem Standard gab sich Schmied kampfbereit: "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, auch wenn ich die Verordnung gerne früher gehabt hätte. Fakt ist, der Rechnungshof hat recht: Die Abrechnung ist falsch, die Steuerzahler überweisen im Bereich der Landeslehrer zu viel Geld an die Länder." Es sei unumgänglich, "Klarheit bei der Abrechnung zu schaffen". Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) kann sich in seiner Funktion als Finanzminister jedenfalls schon darauf einstellen, "dass ich den durch diese fehlgeleitete Landeslehrer-Finanzierung entstehenden Fehlbetrag im Zuge der Budgetverhandlungen einfordern werde", kündigt Schmied an.

Problemzone Landeslehrer

Ihr Vorstoß in Sachen Landeslehrer-Finanzierung kommt nicht von ungefähr, gilt der Bereich unter Experten doch als eine der größten Problemzonen im österreichischen Bildungssystem.

Der Rechnungshof kam 2007 in seiner Analyse der "Lehrpersonalplanung" zur Empfehlung, "im Sinne einer Zusammenführung von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auf eine Übertragung der Diensthoheit über die Landeslehrer an die Schulbehörden des Bundes hinzuwirken" .

In einem aktuellen Positionspapier des IHS zur Schulverwaltung werden die Landeslehrer "als der relevanteste Regelungsbereich" bezeichnet. Zur Zuständigkeitsfrage ist dort zu lesen: "Eine Verlagerung der Bundeskompetenzen zu den Ländern ist aufgrund der vorliegenden Evidenzen nicht sinnvoll." Schon 2007 hieß es in einer von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) beim IHS in Auftrag gegebenen Studie auch angesichts der "Probleme der Informationszurückhaltung der Länder" : "In der Alternative der Umschichtung von Länderagenden zum Bund vs. Bundesagenden zu den Ländern spricht nichts für die Verlagerung zu den Ländern (außer abstrakten und inhaltsleeren Subsidiaritäts- und Anti-Zentralismus-Argumenten). (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2010)