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Der Bregenzer Intendant und Regisseur David Pountney.

Pountney, 62, ist seit Herbst 2003 und mindestens noch bis Sommer 2013 Intendant der Bregenzer Festspiele. Der Brite ist ein international gefragter Opernregisseur und bekennender Entertainer. In seiner Freizeit gärtnert und kocht der Backenbartträger gern; er lebt im Burgund.

 

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Die Premieren waren verregnet: Trotzdem ist sowohl der Mörbischer Intendant Harald Serafin mit den Seefestspielen zufrieden (unten: Lehárs "Zarewitsch") wie auch Intendant David Pountney mit der "Aida"-Produktion der Bregenzer Festspiele (oben).

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Mit Pountney, seit 2003 Intendant der Bregenzer Festspiele, sprach Stefan Ender.

Standard: Herr Pountney, wie geht es Ihnen? Die Premierenschlachten sind geschlagen, die Festspiele sind vorbei.

Pountney: Nicht nur ich, alle hier im Haus sind in guter Stimmung. Wir haben 2010 ein sehr riskantes Programm gewagt, mit 23 Werken eines völlig unbekannten Komponisten, Mieczyslaw Weinberg, und sowohl die Kritik als auch das Publikum waren begeistert. Die Passagierin war ausverkauft, die Konzerte mit Weinberg-Werken zu 90 Prozent. Das ist erstaunlich. Und ich glaube, das ist das Resultat der Arbeit der letzten sechs, sieben Jahre. Unsere Programme sind immer stringenter, konsequenter geworden, und das hat im Publikum Vertrauen geschaffen, auch zu Konzerten mit Werken eines praktisch unbekannten Komponisten hinzugehen.

Standard: Das Wetter in Bregenz war diesen Sommer ja nicht so toll - hat sich das Klima für die Bregenzer Festspiele in den letzten sieben Jahren Ihrer Intendanz insgesamt geändert? Ist es leichter oder schwieriger geworden, Publikum, Subventionen und Sponsoren zu gewinnen?

Pountney: Unsere Subventionen sind auf dem Stand von 1997 eingefroren, was einem realen Verlust von einer Million Euro entspricht; und wir haben um eine Million Euro mehr Programm gemacht. Diese Lücke haben wir durch die Seebühne und durch Sponsoren schließen können. Das Klima für die Sponsoren ist durch die Finanzkrise schwieriger geworden: Für nächstes Jahr haben wir einen Sponsor verloren. Was das Publikum anbelangt: Bei Aida 2009 hatten wir einen Rekordbesuch; das werden wir 2010, auch bedingt durch das schlechte Wetter, nicht erreichen können.

Standard: 2011 wird auf der Seebühne Umberto Giordanos "André Chénier" gespielt - in Opernkreisen bekannt, aber einem Massenpublikum nicht so wie "Aida" und "Carmen". Auch ein Wagnis?

Pountney: Wir sind realistisch: Wir wissen, dass wir damit ein - kalkuliertes - Risiko eingehen. André Chénier ist zwar ein perfektes, packendes Stück für die Seebühne, aber natürlich kennt es nicht jeder. Um das zu ändern, haben wir uns eine Marketingaktion ausgedacht: Jeder Besucher der Festspiele 2010 hat einen CD-Sampler von André Chénier mitbekommen, damit er sich das Stück ein wenig anhören kann. Das Budget für die Seeproduktion wird etwas kleiner gehalten; wir wissen, dass wir wahrscheinlich nicht so viele Zuschauer wie bei der Aida haben werden.

Standard: Das Bühnenbild von John Fielding ist wahrscheinlich schon längst in Auftrag gegeben - können Sie uns eventuell ein klein wenig verraten können, was uns da erwarten wird?

Pountney: Nein!

Standard: Sie werden 2011 einen neuen Weg gehen und im Festspielhaus anstelle von Opernraritäten Auftragswerke spielen. Haben Sie Vertrauen in das Publikum, dass es auch diesen Weg mitgehen wird?

Pountney: Absolut. Denn es ist ein logischer Schritt, den wir hier machen. Wenn man schon Erfolg mit Unbekanntem hatte, dann hat man auch Erfolg mit dem, was bisher nicht existiert hat, also mit ganz Neuem. Und ich finde, wir haben als ernsthafte künstlerische Institution die Verpflichtung, uns auch um die Zukunft unseres Genres zu kümmern. Das tun wir auf unsere spezifische Art und Weise: Wir sind kein Spezialistenfestival wie Donaueschingen, wir haben bewusst Komponisten und Geschichten ausgewählt, die auch für ein normales Publikum zugänglich sind. Das werden manche konservativ nennen, aber das ist für uns kein Problem.

Standard: 2011 wird im Festspielhaus die Oper "Achterbahn" der 56-jährigen Britin Judith Weir uraufgeführt. Warum haben Sie sich für Weir entschieden?

Pountney: Sie ist eine der erfolgreichsten Opernkomponistinnen unserer Zeit. Ihre musikalische Sprache ist sehr klar, transparent, ideenreich und originell, manchmal auch etwas minimalistisch. Und sie ist eine Künstlerin, die ein sehr großes Interesse hat, eine Geschichte zu erzählen. Das ist mir wichtig zu zeigen: dass der Besuch einer neu komponierten Oper eine erfüllende erzählerische Theatererfahrung sein kann.

Standard: 2012 kommt im Festspielhaus "Solaris" von Detlev Glanert, 2013 "Geschichten aus dem Wienerwald" von HK Gruber. Besteht die Notwendigkeit, Komponisten auszuwählen, die eher kulinarisch komponieren, weil Sie ein großes Haus füllen müssen?

Pountney: Ehrlich gesagt verstehe ich die Skepsis gegenüber sogenannter "kulinarischer" Musik, gegenüber aller Musik, die nicht radikal avantgardistisch ist, nicht. Diese Einstellung, dieser Moderne-Faschismus, ist doch eigentlich altmodisch. Fakt ist: Detlev Glanert ist der führende deutsche Opernkomponist unserer Zeit.

Standard: Vorarlberg hat schöne Berge, Vorarlberg hat den Bodensee. Was mögen Sie mehr? Was ist Ihr Lieblingsplatz in Vorarlberg?

Pountney: Ich habe eine tolle Wohnung mit einem fantastischen Blick über den Bodensee ...

Standard: ... und auch ein tolles Büro mit fantastischem Blick über den Bodensee! Wird man Sie dort auch in vier Jahren antreffen?

Pountney: Das werde ich Ihnen leider erst im nächsten Frühling sagen können!

Standard: Herr Pountney, trotzdem vielen Dank für das Gespräch!
(DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2010)