Franz Pirker: Ein bestehendes Auto auf Elektroantrieb umzurüsten ist natürlich nicht das Optimum.

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KTM fährt im Gelände und mit viel Spaß bereits mit Elektroantrieb. Der Prototyp wird soeben in die Serie übergeleitet. "Zero Emission" ist das Motto. Die Akkus können aufgeladen oder ausgetauscht werden.

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STANDARD: Ihr Arbeitsinhalt "Mobilität der Zukunft" klingt schon ziemlich umfassend.

Pirker: Für uns ist Mobilität mehr als ein einzelnes Fahrzeug, das neu auf den Markt kommt und CO2-Einsparungen bringt. Die Elektromobilität ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht nur das Fahrzeug alleine sehen darf, sondern es geht auch darum, wie man dieses in bestehende Transportsysteme integriert.

STANDARD: Heißt das, die Elektromobilität kann sich nicht alleine durchsetzen, so wie das beim konventionellen Auto der Fall war?

Pirker: Das Elektrofahrzeug ist nur einer der Modi im Verkehrssystem. Wir optimieren derzeit etwa die Verkehrsanbindung zum Wiener Flughafen für die Nutzer. Man kann mit dem Auto fahren, mit dem Bus, mit dem Taxi, mit dem City Airport Train, je nach Bedürfnissen, die ich habe. Wenn ich jetzt ein Business-Reisender bin oder auf Urlaub fliege, werde ich ein anderes Verkehrsmittel zur Anreise nehmen.

STANDARD: Zurück zum Elektrofahrzeug: Gibt es reale Fahrzeuge, die Sie schon entwickelt haben?

Pirker: Wir haben einen funktionstüchtigen Prototyp eines Elektromotorrads für KTM entwickelt, das jetzt bei KTM gerade in die Serie übergeleitet wird. Wir haben den kompletten elektrischen Antriebsstrang entwickelt, also Energiespeicher, Leistungselektronik und die elektrische Maschine. Mithilfe von GPS-Daten verschiedener Renn- und Motocross-Strecken haben wir in Simulationsmodellen das Fahrzeug elektrifiziert und untersucht, wie viel Energie brauch ich, welche Regelung verwende ich, welchen Motor brauch ich, welches Drehmoment ist erforderlich. Das spart enorm Entwicklungszeit und Kosten. Diese Tools hat es vorher nicht gegeben.

STANDARD: Was geschieht in Ihren Labors?

Pirker: Ein großes Thema ist das Alterungsverhalten der Batterien. Wir können den Alterungsprozess simulieren. Die Temperatur ist dabei der wesentliche Faktor. Wenn ich im Betrieb um zehn Grad mehr habe, kann das die Lebensdauer bereits um die Hälfte reduzieren.

STANDARD: Lebensdauer und Energieinhalt der Batterien sind aber nicht das einzige Problem des Elektroautos? Worauf muss man achten?

Pirker: Wenn jemand heute Fahrzeuge vergleicht, so sagt der eine, meines braucht 6,1 Liter, und wenn man Elektrofahrzeuge vergleicht, geht es darum, wer weiter kommt. Man muss den Menschen die Angst vor dem Elektrofahrzeug nehmen. Wenn der Tank leer ist, bleib ich auch stehen.

STANDARD: Könnte ein Anstieg der Elektromobilität nicht auch gleich zu einer Ressourcenverknappung führen?

Pirker: Vom Stromverbrauch her ist der Zuwachs gering, das lässt sich erneuerbar darstellen. Beim Lithium für die Batterien ist es so: Würde man heute alle Autos der Welt auf elektrisch umstellen, würde man 30 Prozent der bekannten Lithium-Vorkommen verbrauchen. Da gibt es eher ein anderes Thema, das sind die Seltenen Erden, die man für bestimmte Typen von Elektromaschinen braucht und die jetzt schon ein knappes Gut sind. Doch zu Elektromaschinen mit Permanentmagneten gibt es auch Alternativen.

STANDARD: Fahrzeuggewicht, Komforteinrichtungen. Klimabedingungen, lauter energieverzehrende Rahmenbedingungen, die dem Elektroauto zusetzen. Was setzen Sie dem entgegen?

Pirker: Wir beschäftigen uns auch mit Leichtbau, im Speziellen mit Aluminium und Magnesium. Es geht dabei um neue Legierungen und um deren Anwendung im Auto, inklusive Design des Bauteils. Ein bestehendes Auto auf Elektroantrieb umzurüsten ist natürlich nicht das Optimum. Das Energiemanagement ist eine Herausforderung. Man kann ja einige Extremforderungen an Heizungs- und Klimaanlagen zurücknehmen und dafür alternative, neuartige Technologien entwickeln, die viel effizienter arbeiten.

STANDARD: In der demografischen Entwicklung hin zu Megacitys sehen die Autohersteller die große Chance für Elektromobilität ...

Pirker: Megacitys sind natürlich auch ein Thema. Schon 2006 wurden in China mehr elektrische Zweiräder auf den Markt gebracht als traditionelle. Das liegt daran, dass es gerade in den großen Städten ein Fahrverbot für herkömmlich motorisierte Zweiräder gibt. Mit solchen Rahmenbedingungen kann man die Implementierung einer Technologie beschleunigen. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/Automobil/Printausgabe, 3.9.2010)