Wien - Freitagvormittag, im grünen Büro in der Löwelstraße. Die Parteichefin lädt zur Pressekonferenz. Titel: "Katastrophen-Jahr 2010".

Eva Glawischnig referiert mit ernster Miene. Über irreversible wie unkontrollierbare Klimaveränderungen - sie meint allerdings nicht die Stimmung bei den Wiener Grünen, sondern schlicht die Umweltprobleme. Fast dreißig Minuten lang spricht Glawischnig mit Oberösterreichs Landesrat Rudi Anschober und einem Klimaforscher von der Boku über den Anstieg des Meeresspiegels. Die Erderwärmung. Das Öl-Schlamassel im Golf von Mexiko.

Erst dann werden Fragen zu den dramatischen Parteiabspaltungen in Mariahilf und in der Josefstadt sowie zum fliegenden Wechsel des Bundesrates und Wahlkampfberaters Stefan Schennach zu den Rathaus-Roten zugelassen. Im Gegensatz zur Wiener Ober-Grünen Maria Vassilakou, die aus ihrem "Zorn" über das Desaster fünf Wochen vor der Landtagswahl kein Geheimnis macht, versucht Glawischnig Contenance zu wahren.

Ist Schennachs Absprung zu diesem Zeitpunkt eine Katastrophe? "Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Dieser Schritt ist nicht in Ordnung gegenüber der Spitzenkandidatin." Selbst ebenso zornig? "Nein, ich bin verwundert." Ob sie als Parteichefin einen Appell an die Wiener Basis richten wolle? Glawischnig regt die Landesgruppe an, über die Autonomie bei der Listenerstellung in den Bezirken zu diskutieren. Basisdemokratie hält sie für "eine Sackgasse" (siehe Seite 6). Anders als Vassilakou, die sich mittlerweile dafür starkmacht, dass alle Ökos, die sich für einen Bezirksvorsteher-Posten bewerben, ihr Ansinnen bis zur Halbzeit der Legislaturperiode bekanntgeben, lässt Glawischnig aber offen, wie man den Bocksprüngen der grünen Basis besser beikommt. Ob sie selbst zu wenig Leadership zeige? "Es kann niemand ernsthaft verlangen, als Parteichefin in 23 Bezirksversammlungen zu gehen, um dort Mediation zu betreiben."

Der Abtrünnige Schennach fühlt sich jedenfalls "traurig und leer", denn: Es sei ihm nicht leicht gefallen, die Grünen zu verlassen, sagt er zum Standard. Grüne Wahlkampf-Tricks werde er nun ganz sicher nicht preisgeben: "Ich habe das der SPÖ klar gesagt." Und im Übrigen auch den Grünen. In seinem drei Seiten langen Abschieds-Mail. (Petra Stuiber, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.9.2010)