Links das zahme Wolfsschaf, rechts der wilde Schafswolf

Foto: Christa Bauer

Wien - Ein "Bäh" echot durch den Saal. Noch eines, noch eines, noch eines. Christof Spanring, der Musiker, dreht dem Publikum den Rücken zu. Via Mikrofon erzeugt er, technisch unterstützt, die Vorstellung einer ganzen Schafherde - ohne aber jemals so zu tun, als wäre hier eine Schafherde. Jetzt grast sie und blökt plötzlich ganz aufgeregt. Harald, das Schaf, tritt auf und übernimmt das Mikro: "Ich bin der Wolf."

Rollenzuweisungen fallen nicht leicht. Figurendenken greift nicht wirklich. Ganz zahm tollt Wolfsschaf "Ich bin der Killer"-Ludmilla mit dem Schafswolf Harald um die Wette. Die stark körperbetonte Inszenierung von Georg Blaschke liegt den Darstellerinnen Maria Spanring und Giovanni Jussi, die das Stück als Kollektiv TWOF2 auch konzipiert haben.

Im Bühnenbild von Rebekka Dornhege lässt sich auch wunderbar turnen. Harald greift nach dem Salatkopf und isst davon. Im Magen grummelt es. Er rutscht von der Kiste und schlägt mit dem Kopf auf. Wie ferngesteuert stakst er zu einem großen Gerüst nach hinten. Tusch, wieder den Kopf angeschlagen. Diesmal an der Gerüststange. Unten durch, mitten rein, oben rauf und die Rutsche hinunter. "Der Wolf ist der Lustige", flüstert ein junger Besucher und meint damit das Schaf. Harald kommt dort zu liegen, wo sich später der Musiker im Bühnenbild auflöst.

Dessen lila Leibchen geht in der lila Matte auf, die türkise Hose in der Sitzunterlage. Er begleitet Harald und Ludmilla bei ihrem Tanz. Dann reißt er sich wieder aus dem Hintergrund und interviewt die beiden. "Harald, bist du Wolf?" - "Ja." - "Ludmilla, ist Harald Wolf?" - "Manchmal."

Statt ordentlich zu antworten, schmiegt sich Harald immer mehr an den Interviewer und umarmt ihn und Ludmilla schließlich. Sie werden zum Knäuel. "Harald, wovon träumst du?", fragt der Interviewer von ganz unten. "Ich möchte in einer Rockband spielen!" Und schon spielen sie. Ludmilla singt: "Kuh, Dackel Ziege und Schaf / du bist ein Schaf, du bist ein Schaf."

Harald, das wilde Schaf ist eine spannende Mischung aus illusionärem und konkretem Theater, aus Plan und Improvisation, aus Gesang und Geräuschmusik, aus Rollenspiel und tänzerischer Performance mit viel Humor und Charme. Auch für Kinder ab sechs Jahren. (Georg Oberhumer / DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.9.2010)