Wien - Gerade einmal 29 Jahre alt war Gottfried von Einem, als ihm seine Oper "Dantons Tod" im Sommer 1947 bei den Salzburger Festspielen einen schlagartigen Erfolg verschaffte. Dass sich ausgerechnet Carl Orff besonders enthusiastisch zum Opus 6 des jungen Kollegen äußerte, ist dabei ebenso leicht nachzuvollziehen wie der Erfolg bei jenen Opernliebhabern, die kakophonen "Neutönern" nichts abgewinnen konnten.

Denn die Musik gibt sich nicht bloß - wie es Wikipedia ausdrückt - "nur gemäßigt modern und erschließt sich auch dem ungeübten Hörer verhältnismäßig leicht"; sie weiß noch das blutrünstigste Detail aus Georg Büchners Drama mit martialischer Lust oder tänzerischer Eleganz zu untermalen. Mit Taktwechseln und verqueren Rhythmen geht sie ebenso sparsam um wie mit dem Salz der Dissonanz, das nie so reichlich einsetzt wird, dass einem kulinarisches Hören nachhaltig vergällt werden könnte.

Einems Spürsinn für dramatische Effekte verfehlt auch noch 60 Jahre nach der Uraufführung seine Wirkung kaum. Dies war zumindest der Eindruck bei der Premiere einer Produktion der Neuen Oper Wien am Sonntag. Gewiss ließe sich von der Geschichte der Französischen Revolution aktualisierend weiterdenken - ein kleiner Text von Robert Misik über Populismus und FPÖ-Rhetorik führt dies im Programmheft auch vor.

Doch ist die Oper, trotz des Sujets, frei von jedem revolutionären Anstrich, zweifellos bei einem Setting weit besser aufgehoben, das den historischen Rahmen zumindest andeutungsweise wahrt. Dies garantieren die pittoresken Kostüme von Saha Devi ebenso wie die Bühne von Gabriele Attl mit dem Tricolore im Hintergrund und archaischen Säulen auf einer erhöhten Fläche. Darunter gibt es Raum für die Inszene von Leonard Prinsloo, um Esszimmer oder Kerker anzudeuten oder den guten Wiener Kammerchor bei den Massenszenen in opulenten Tableaus voller Buntheit und quirliger Bühnengesten zu positionieren.

Wucht und Schärfe

In aller Buntheit ließ auch das Amadeus Ensemble Wien mit Dirigent und Neue-Oper-Wien-Intendant Walter Kobéra die Tableaus der Partitur entstehen. Das strahlende Dur beim Tribunal malte es so triumphal, dass dies manche im Publikum mit Beifall quittierten. Die Wucht und Schärfe, die besonders das Blech vorteilhaft erscheinen ließen, stellte allerdings zusammen mit den akustischen Verhältnissen in der Halle E des Museumsquartiers das Sängerensemble vor die Wahl, entweder die Flucht nach vorn anzutreten oder besondere Vorsicht walten zu lassen.

Mathias Hausmann als Danton kam da szenisch wie vokal am schlüssigsten über die Rampe, auch wenn die Intonation während seiner Verteidigungsrede litt. Aber wie gut mag bei der Erhöhung inmitten der Bühne das Orchester zu hören sein? Gegenüber seines Mitstreiters Camille - Markus Miesenberger hätte in der Höhe mehr Kraftreserven brauchen können - behielt Alexander Kaimbacher als spitzzüngiger, eitler Robespierre mit metallischer Souveränität die Oberhand, während Jennifer Davison als Lucile ein hohes Maß an Dramatik einbrachte. Ein Buhrufer blieb im allgemeinen Schlussapplaus allein. (Daniel Ender/ DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2010)